Künstler des Monats – Flavio Apel

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Flavio Apel hat seine Kindheit in einem kleinen Dorf in der Nähe von Rom verbracht. Der inzwischen in Marburg lebende Künstler sucht diesen Ort, der seine Bildwelt stark geprägt hat, bis heute immer wieder auf.

Die Akteure seiner Bildwelt – Alltagsgegenstände und Insekten – erwachen in Apels Kompositionen zu neuem Leben. Anders als in den Stillleben der Alten Meister, die üppige Speisen, blitzendes Besteck und fein geschliffene Gläser auf kunstvoll drapierten Tischen darstellten, sind es bei Apel verbogene Gabeln und Löffel, halbvolle Suppenteller und leere Dosen, die auf weißem Hintergrund erscheinen. Apels eigene Vanitas-Motive, die Insekten, erscheinen in seinen Bildern fragmentiert oder auf dem Rücken liegend.

Allein der Hirschkäfer scheint sich in Apels rätselhaften Bildgeschichten durchzusetzen. In der christlichen Symbolik gilt der Hirschkäfer als Apotropäum, das Unheil abwehren kann. Wiederholt taucht er in Apels Zeichnungen auf; stellt sich einem Duell mit einer verbogenen Gabel oder steht hilflos vor einer Praline mit Insektenflügeln, die sich unter einer Glasglocke befindet. Diese ungewöhnlichen Konstellationen hauchen den Dingen neues Leben ein. Sie erzählen Geschichten, die wir als Betrachter weiterspinnen dürfen. Mit präzisem Strich und minimalen Mitteln erschafft Apel auf diese Weise surreale Welten.

 

Eine weitere Herangehensweise Apels ist es, die Akteure seiner Bildwelten an den Bildrändern zu verorten. Die leere Bildmitte lenkt den Blick der Betrachter zunächst auf die scheinbar unwesentlichen Zwischenräume. Dann wandert der Blick zu den abstrakt wirkenden Anordnungen feiner Nuancen unterschiedlicher Grautöne und feinster Linien. Sie laden ein, auf die Suche zu gehen, einen Schritt näher zu treten, genauer hinzuschauen, den Blick an den Rändern entlang wandern zu lassen. Auf den zweiten Blick erst offenbaren sich die reizvollen Strukturen und Schattierungen als Überreste von gewöhnlicher Spachtelmasse, Insekten oder Butter.

 

2017 zeigte die Galerie Rasch, Kassel, eine Einzelausstellung des Künstlers mit dem Titel “Andacht zum Unbedeutenden”. Dieser Titel ist einer abschätzigen Bemerkung des Kunsthistorikers Sulpiz Boisserée von 1815 zur Forschung der Gebrüder Grimm entliehen und umgedeutet. Sie würden sich in ihren sprach- und literaturwissenschaftlichen Untersuchungen mit Nebensächlichkeiten befassen.

Daraufhin entgegneten sie folgendes: “Leicht wird […] als unnütz hinweg geworfen, worin sich das Leben am bestimmtesten ausgeprägt hat, und man ergiebt sich Betrachtungen, die vielleicht berauschen, aber nicht wirklich sättigen und nähren.”

Flavio Apels begibt sich in seinen zeichnerischen Arbeiten auf die Suche nach den “unbedeutenden” Dingen, jenseits von Sensationen und Prunk.

Flavio Apels Zeichnungen sind noch bis zum 16.08.2018 im Marburger Kunstverein in der Ausstellung “Kunst in Marburg” zu sehen sowie vom 05.-07. Oktober auf der Kunstmesse Kassel und der 23. Kuboshow Kunstmesse in Herne.

www.flavioapel.com

Text: Dorothea von Kiedrowski

Abbildungen: Flavio Apel