Künstlerin des Monats – Heike Kati Barath

Die Malerin Heike Kati Barath (*1966 in Vaihingen/Enz, lebt und arbeitet in Berlin und Bremen) entwickelt ihre Werke aus einem ernstgemeinten malerischen Blick heraus und schafft einprägsame Motive, die sie auf das Wesentliche reduziert und ihnen dennoch Eigenwilligkeit und Einzigartigkeit einschreibt. Ihre Kreationen lassen erahnen, dass sie in einem innigen Dialog mit ihrer Schöpferin stehen, denn das durchdringende Interesse der Malerin an ihren Figuren verleiht der Malerei Lebendigkeit.

Das Dialogische ist auf vielerlei Weise in den Werken von Heike Kati Barath verankert, das Medium der Begegnung ist dabei meist die Leinwand. Ob Mensch oder Tier, die Gestalten fixieren die Betrachter*innen regelrecht mit ihren kleinen Augen. Ihre sichtbaren Seelenregungen können unterschiedlich interpretiert werden. Sie stehen fragend, manchmal provozierend oder von kindlicher Unschuld gekennzeichnet im Raum. Frei nach dem Motto des Philosophen Georges Didi-Huberman „Was wir sehen, blickt uns an.“, entsteht eine wechselseitige Beziehung zwischen den Figuren und ihrem Gegenüber. Wenn wir etwas wirklich sehen (und nicht übersehen oder verdrängen), das heißt, wenn wir von etwas direkt angeblickt werden, entsteht ein Moment der Beunruhigung. Der Sehende oder Angeblickte begegnet seinem Gegenüber mit einer Mischung aus Faszination und Abwehr.

 

Heike Kati Barath reflektiert in ihren Werken das oftmals, vor allem vom Umfeld, schwierig empfundene Alter der Pubertät; ein kurzer Zustand in unserem Leben, der nicht nur körperliche Veränderungen mit sich bringt, sondern das Ich-Bewusstsein reifen lässt. Man setzt sich erstmals mit der eigenen Identität auseinandersetzt und definiert seine Rolle in der Welt. Dieses diffizile Stadium des Übergangs scheint zunehmend von besonderem Interesse für künstlerische Erkundungen zu sein, wie man z.B. den Werken von Rineke Dijkstra, Wolfgang Tillmans oder Tobias Zielony entnehmen kann.

Eine der bekanntesten Werkreihen Baraths zeigt überlebensgroße androgyne Mädchen. Meist vor einem weiß-blauen Himmel stehend, treten die einzelnen Figuren dem Betrachter herausfordernd entgegen. Die pubertierenden Geschöpfe sind mit großer Selbstverständlichkeit gemalt, weder Achselhaare noch Hautrötungen werden kaschiert.

Vereinzelt sind Haarpartien mit Acrylfugendichter auf die Malerei gesetzt. Die Künstlerin verzichtet in ihren Darstellungen auf versteckte Anzüglichkeiten oder verführerische Züge. Nacktheit zeugt hier nicht von Eros, sondern hat den Anschein von Unschuld. Die Mädchen bleiben unter sich, in ihrem Kosmos, der Kontakt zur Außenwelt geht nicht über einen investigativen oder kritischen Blickkontakt hinaus. Aufmerksam werden die aktuellen Jugendtrends aufgegriffen, so halten auch Onepiece oder UGG Boots als Motive Einzug in die Bilderwelt.

Ab und an treten die Mädchen in Baraths Werk auch gemeinsam auf: Ein mehrteiliges, langgezogenes Gemälde zeigt sie sitzend und stehend an einem langen Holzsteg. Die Gruppe blonder, hellhäutiger Jugendlicher dreht uns den nackten Rücken zu und blickt auf ein vom Sonnenuntergang pink gefärbtes Gewässer. Zwei drehen sich um und fixieren das Publikum, als ob die Anwesenheit Dritter die traute Zusammenkunft stören würde. Die Jugendlichen wollen unter sich bleiben. Das zu Sehende bei Barath ist auch immer die Spur von etwas Abwesendem. Sichtbares und Unsichtbares sind aufeinander bezogen, in einer Dialektik der Wahrnehmung und Vorstellung.

Die Künstlerin hat das Studium der Malerei in Gent und Münster absolviert. Die stark individualisierten, kleinformatigen Portraits der flämischen Maler sind ihr genauso geläufig, wie die mit großer Einfachheit der Form gemalten Köpfe von Paula Modersohn-Becker. Baraths Portraits zeugen eher von dem spontanen Festhalten eines Augenblicks, wie bei einem Selfie, als von dem Wunsch, die Portraitierten mit reichhaltigen, mehrdeutigen Attributen zu versehen. Sie schlägt damit einen eigenen Weg in der Bildenden Kunst ein, der mit der Bilderwelt der Jugendlichen auf sozialen Plattformen vergleichbar ist.

Die jüngsten Arbeiten beziehen immer wieder das Motiv des Mobiltelefons mit ein, so auch bei den großformatigen Kohlezeichnungen von Mensch und Menschin, die fast lebensgroß mit kreisrunden aufgerissenen Augen in die Leere starren. Das Handy jeweils in der linken Hand, schauen sie an uns vorbei in die Unendlichkeit. Der Gesichtsausdruck der beiden nackten Figuren generiert die unterschiedlichsten assoziativen Bilder, wie z.B. an eine erfolgreich durchgeführte Hypnose. Haupt- und Barthaar sind von beträchtlicher Länge, vielleicht um die Scham bald im Haarmantel einhüllen zu können.

Die Faszination der Arbeiten von Heike Kati Barath liegt in ihrer Ambivalenz. Formal sind die Sujets in zwei Ebenen gegliedert: die Figuren schweben scheinbar vor einem farbigen Hintergrund. Die Modellierung der Körper ist nicht sehr ausgeprägt, doch treten sie plastisch und dadurch lebendig aus der Leinwand hervor. Die Gesichter blicken uns herausfordernd an, sie locken uns mit ihnen in Kontakt zu treten, und doch weisen sie uns ab. Sie sind wie das Spiegelbild des Narziss, unglaublich anziehend, aber unerreichbar.

Text: Benita Meißner

Benita Meißner ist Geschäftsführerin und Kuratorin der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst in München.

Fotos: Jens Weyers, Bremen

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