Kluge junge Frauen, Bibelarbeit zu Mt 25 in der Atelierkirche Stuttgart beim DEKT 2015

Geschätzte Lesedauer 8 Minuten

Kluge junge Frauen Mt 25 – Bibelarbeit auf dem DEKT Stuttgart 2015

Bibelarbeit in der Atelierkirche (Brenzkirche) beim Deutschen Evangelischen Kirchentag Stuttgart am Samstag, den 6. Juni2015.
Performance zum Text: Wolfgang Kaiser; Musik: Engin Seyrl; Lesung: Petra Dais
Zur Seite der Atelierkirche: http://atelierkirche.de/2015/06/workshop-beim-kirchentag/
Text: Mt 25,1-13 – Junge kluge Frauen

Endzeit! Das Gleichnis von den klugen und den törichten jungen Frauen steht in einem düsteren Kontext. Ich skizziere kurz die Szene, in der Jesu das Gleichnis erzählt: Er ist in Jerusalem und hat seinen nahen Tod vor Augen. Da versammelt auf dem Ölberg seine Jünger und bereitet sie vor: Auf sein nahes Ende und auf das nahe Ende dieser Welt, seine Wiederkehr und das Gericht, das dann folgt, am Ende aller Tage. Dazu erzählt er seinen Jüngern dieses Gleichnis. Und das Ziel ist klar: Seht euch vor, denn das Ende ist nahe. Seid klug wie die klugen Jungfrauen, nicht töricht wie die törichten.Wie schafft es dieser Texte eigentlich auf den Kirchentag? Wie kommen wir dazu an diesem sonnigen Morgen, im wunderschönen Monat Juni über den Untergang der Welt nachzudenken? Heute, wo selbst Stuttgart leuchtet? Ist die Wahl des Textes ein Tribut an einen der geistigen Väter der gastgebenden Landeskirche, der bekanntlich Endzeitspekulationen liebte? Ein apokalyptisches Bonbonle für die Söhne und Töchter Bengels? Das sei Ferne. Schuld ist die Phronesis, die Klugheit der jungen Frauen. Wir sind zwar hier nicht auf dem Ölberg, sondern auf dem Killesberg. Aber auch Sie sollen heute Morgen klug werden wie die klugen jungen Frauen und nicht töricht bleiben, wie die anderen. Doch Klugheit, die vom Ende her denkt, ist nicht zu haben, ohne ein wenig Endzeitstimmung.
Folgen sie mir also in den November, wenn die Tage kürzer und die Nächte länger werden, an das Ende des Kirchenjahrs, wo dieser Text in den evangelischen Kirchen gepredigt wird. Als Kind bin mit meiner Laterne in die dunkle Nacht hinausgezogen. Die Laterne war aus Papier. Man konnte sie auffalten wie einen Fächer. Innen war auf dem Steg mit einer Halterung für die Kerze. Oben wurde die aufgeklappte Laterne mit einem kleinen Metallhaken zusammengehalten und an diesem Haken haben wir den Stab befestigt, an dem wir die Laternen in der Nacht herumtrugen. Meine Laterne war ein dicker, grinsender Mond, gelb auf blauem Hintergrund. Wenn man nicht aufpasste und die Laterne wild herumschlenkerte, dann kippte die Kerze in der Halterung um und fraß ein hässliches Loch in das dünne Papier.

Und dann haben wir unser Laternenlied gesungen:
„Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir.
Mein Licht geht aus,
wir geh´n nach Haus.
Rabimmel, rabammel rabumm.“
Das ist ein schönes Lied. Ein tröstliches Lied. Ein Gleichnis! Das Leben ist wie ein Laternenzug. Der gestirnte Himmel leuchtet über mir und unten auf der festen Erde leuchten wir, die Menschen mit unseren Lebenslichtern. Und wenn mein Lebenslicht sich dem zu Ende zuneigt und schließlich verlöscht, dann werde ich nicht vergehen. Nein, dann gehe nach Haus. In das Haus, das nicht mit Händen gemacht ist (Apg, 17,24), ein Haus aus Licht, das unser himmlischer Vater für uns bereitet hat (2. Kor 5.3). Und dort werden wir uns dann alle wiedersehen.
Auch in unserem Text bekommen wir einen Laternenzug zu sehen. Es sind zehn junge Frauen, Brautjungfern hießen sie bei Luther. Sie sind unterwegs mit ihren brennenden Laternen. Fünf von sollen klug sein und fünf töricht. Aber anders als im Laternenlied aus meiner Kindheit passiert etwas Schlimmes, wenn ihr Licht ausgeht. Man müßte das Laternenlied aus meiner Kinderlied umdichten. Zumindest für die fünf jungen Frauen, die töricht genannt werden.
Ungefähr so:
„Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mir,
Dort oben leuchtend die Stern und unten leuchten wir.
Mein Licht geht aus?
Darf nicht ins Haus!
Bleib vor der Tür,
auf immer, für und für?
Rabimmel, Rabammel…..Rabumm!“
So also soll das Himmelreich sein, wenn wir diesem Gleichnis folgen? Ja, es wird ein Fest am Ende aller Tage. Eine Hoch-Zeit, Tanz und Musik, Essen und Trinken, Liebe und Lust, Geist, und Witz, Solidarität und Leidenschaft, Zärtlichkeit und Widerstand. So wird es sein im Himmel: Ein bißchen wie hier in Stuttgart. Der Stuttgarter Kirchentag – fünf Tage Vorgeschmack auf den Himmel.
Allerdings feiern nur die klugen jungen Frauen. Die Törichten bleiben draußen. Die Guten ins Töpfchen, die Törichten ins Kröpfen. Wer möchte da schon zu den Dummen gehören? Zu denen, die zu dumm sind, um für das ewige Heil vorzusorgen? Die nicht genügend Vorrat angelegen an geistlichen Kerzen und frommem Lampenöl? Wer zu spät kommt, den bestraft nicht nur das Leben. Nein, den bestraft der Bräutigam höchst persönlich: „Wahrlich ich sage euch: Ich kenne euch nicht!“ (V12)
Das ist kein schönes Lied, kein tröstliches Laternenlied. Das ist ein garstiges Lied, das uns hier im Gleichnis gesungen wird. Und dieses Lied hat in der langen Geschichte der Christenheit viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Das Lied vom Ende mit Schrecken und einem Schrecken ohne Ende: Dies irae, Dies illae. Dies ist Tag des Zorns, der Tag des Gerichts.
Ich frage mich, mit welchem Recht? Mit welchem Recht richtet eigentlich der Bräutigam die fünf Frauen, die zu spät kommen? Kam nicht der Bräutigam auch zu spät? „Bliebe er nicht lange aus“ (V5)? Hat Gott nicht viel zu lange nach Adams Fall gezögert mit dem Kommen seines Sohnes in die Welt? Eine Welt, in der die Menschen unter der Last ihres Daseins ächzen. Was weiß denn der Bräutigam vom Leben der gestressten jungen Frauen? Von ihrem Multi-Tasking? Wie sie versuchen Kinderziehung und Berufskarriere unter einen Hut bringen und dabei noch locker bleiben und attraktiv? Was weiß er denn von der Enge der Zeit, der rasenden Beschleunigung in der Postmoderne? Ja, auch die törichten jungen Frauen wären gerne hochkonzentriert auf das ewige Heil. Ganz bei sich, in ihrer Mitte, spirituell geerdet. Aber wer holt dann die Kinder vom Kindergarten ab? Und was, wenn die Erzieherinnen streiken?
Und warum nennt dieses Gleichnis die anderen Frauen klug? Weil sie vorschauend geplant haben? Weil sie klug genug waren, nicht mit den anderen zu teilen? Wer weiß, vielleicht wären ja die Lampen nicht verloschen, wenn sie ihren Vorrat geteilt hätten. Hätte der Bräutigam nicht die klug nennen müssen, die solidarisch sind mit den anderen? Die ihr Heil nicht horten, sondern teilen? Das ewige Heil rechtfertigt doch nicht jede Form von Egoismus. Und will man denn da überhaupt noch zu Klugen gehören, wenn Klugheit bedeutet: Hauptsache für meinen Platz im Himmel ist gesorgt? Kollateralschäden des Heils sind die draußen vor der Tür. Hauptsache ich bin drin?
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie unter diesen Bedingungen noch länger Lust auf ein solches Fest hätten. Das himmlisches Fest wäre ja nicht der alte, große runde Tisch, wo die verschiedenste Menschen sitzen, und einer davon ist der verstorbene Kabarettist Hans Dieter Hüsch, von dem dieses Bild stammt. Dort sieht Bruder und Schwester, Vater und Sohn, Mutter und Tochter, die Erzchristen mit den Erzliberalen und den Erzkommunisten zusammensitzen. Allerdings die Erznazis bleiben auch Hüsch vor der Tür. Alle anderen sind dabei. Sie reden und trinken, essen und denken nach Herzenslust. Und die dahinten, die so herzhaft lacht, die bist du – und der da vorne, der den Mund so voll nimmt, das bin vermutlich ich.
Nein, das ist ein anderer Tisch, der beim Festmahl in unserem Gleichnis steht. Dort steht ein kühles Designermodell, wo die Klugen im Hellen sitzen und sich freuen nach Herzenslust, dass sie so vorausschauend waren ihr Öl nicht mit den anderen zu teilen. Ob einer davon du bist oder ich, das ist doch sehr ungewiss. Vielleicht sitzen wir lieber draußen im Dunkel und singen mit den anderen das traurige Laternenlied:
„Mein Licht ist aus,
darf nicht ins Haus
bleib vor der Tür,
auf immer für und für.
Rabimmel, Rabammel…Rabumm
Ja, das kein schönes Lied, das wir in diesem Gleichnis hören. Zweifelsohne steht es so in der Bibel. Zweifellsohne gehört zum biblischen Gottesbild auch sein Zorn (trotz der liberalen Theologie, die meint auf Zorn und Gericht Gottes verzichten zu können, vgl. R. Otto, Das Heilige, 1963, 21: „Es ist ganz zweifellos daß auch das Christentum ´vom Zorn Gottes´ zu lehren habe, trotz Schleiermacher und Ritschl“). Und zweifelsohne gehört zum Zorn Gottes auch die Androhung des Gerichts, das keine Untat vergessen wird und jeder einstehen muss für sein tun. Doch mit dieser harten Linie, die verurteilt und vernichtet, was sich seinem Willen widersetzt, ist Gott gescheitert, wenn er auch nur von Ferne Zeuge des Leidens war, das sein Sohn am Kreuz erduldet. Oder müsste man genauer sagen: Uns wird erst am Kreuz klar, dass die harten Gottesbilder, der unerbittliche Richter, der draußen im Dunkle stehen lässt, wer sich seinem Willen widersetzt, gescheitert sind? Weil Gott, die Liebe ist, die sich mit dem Gerichteten am Kreuz identifiziert, mit seinem Schrei in der Todesnot, seiner Gottverlassenheit, nicht mit seinen Richtern?
Seitdem weiß auch Gott, was der Tod den Menschen antut. Kennt er die Sorge und Plage der berufstätigen jungen Frauen, die Enge ihrer Zeit. Weiß Gott, was es bedeutet für seine Lampe zu sorgen, für dieses flackernde Licht, das unser Leben ist, ein zerbrechliches und kurzes Leuchten. Und wie töricht es wäre, da nicht einander zu helfen. Licht zu teilen, wenn es um einen von uns Dunkel wird. Mit den Sterbenden am Ende ihres Lebens zu sein und mit den Schwachen, den Zweifelnden, den Angefochtenen, zu denen jeder in seinem Leben irgendwann einmal gehören wird, sonst hat er auch vom Glauben nichts verstanden.
Am Ende?
Am Ende also keine Verdammnis. Auch nicht für die Mafiosi, auch nicht für hartnäckigen Gottesgegner, auch nicht für Übeltäter und Verbrecher, ja, so schwer das zu denken ist – auch nicht für Nazis. Wohl aber das Gericht über alle diese Taten. Das Gericht als ein erklärendes, reinigendes, therapeutisches Ereignis,  das getragen ist von der Liebe, die Gott selber ist. Nichts und niemand wird vergessen. „Jeder Täter“, so sagt es Holm Tetens in seinem klugen Buch „Gott denken, „muss seinem Opfer unter die Augen treten … die Erlösungshoffnung richtet sich darauf, dass die Konfrontation mit der ungeschminkten Wahrheit über sich und ihr Leben die Menschen dazu befreit, sich miteinander versöhnen und einander zu vergeben“. Ungeschminkt der eigenen Wahrheit ins Gesicht sehen, ohne dabei unterzeugen, das kann ein Mensch nur, wenn er sich von einer unendlichen Liebe, die das Wesen Gottes ist, getragen weiß.
Eines wird es am Ende daher so wenige nicht geben, wie hier auf bei dem Fest, das Kirchentag heißt, dass bei Gott am Ende aller Tage, jemand draußen steht bleibt vor der Tür. Die Hölle mag existieren, aber bleibt sie leer. Deshalb singen die Kinder das Laternenlied schon richtig:
„Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne und unten leuchten wir.
Mein Licht geht aus,
wir gehen nach Haus.
Rabimmel, rabammel, rabumm.“

Text: Thomas Erne (c)

Hinterlasse eine Nachricht