Ort: Kirche St. Markus, Gabelsbergerstraße 6, München
„Wir wollen die moderne Kunst gern ernst nehmen, aber wir sind doch ein wenig böse, dass sie sich gar keine Mühe gibt, unser Verständnis zu gewinnen.“ (Unbekannter Architekt, 50er Jahre). Architektur und Kunst stehen nicht erst seit den 50er Jahren in Konkurrenz. Die Geschichte der Gegenüberstellung von Bildwerk und Bauwerk, die Koexistenz in einer gemeinsamen Raumsituation fördert seit Jahrhunderten den besonderen Dialog zwischen den beiden Disziplinen. Im Rahmen des Workshops stellen sich der Architekt, Dietrich Fink, der Künstler, Benjamin Bergmann, sowie der Kunsthistoriker Helmut Braun, unterlegt mit Zitaten und Werkbeispielen, ihrem Publikum in einem offenen Gespräch. Gemeinsam gehen sie der Frage nach, worauf es im Kern der jeweiligen Gattung ankommt, wie und wo eine Kooperation von Kunst und Raum erfolgversprechend sein kann.
Helmut Braun, Landeskirchliches Kunstreferat, München / Benjamin Bergmann, Künstler, München / Prof. Dietrich Fink, TU München St. Markuskirche in München
Die Baugeschichte von St. Markus war und ist wesentlich bestimmt von den ständigen und temporeichen Veränderungen des städtischen Umfeldes sowie – damit verbunden – der sich stetig wandelnden Gestalt der Kirchengemeinde und ihrer Lebensvollzüge. Durch rasante Veränderungen des Stadtteils Maxvorstadt ergaben sich seit den 80er Jahren des 20. Jh. schrittweise neue Herausforderungen. Die Gemeinde musste ihr Profil als Kirche in der Stadt neu bestimmen. Einflüsse, u.a.: Die seit Karl Richter mehr und mehr an gestiegene Bedeutung von St. Markus als Ort anspruchsvoller Kirchenmusik, die Lage im Universitätsviertel (verbunden mit den Aufgaben einer evangelischen Universitätskirche), das wachsenden Museumsviertel (neu zur Alten und Neuen Pinakothek hinzugekommen und hinzukommend: Pinakothek der Moderne, Brandhorst-Sammlung, Ägyptisches Museum), St. Markus als Sitz von Dekanat und Stadtdekanin, die schon seit dem 2. Weltkrieg verlaufende demographische Verschiebung vom einstigen Wohnviertel zum Banken-, Kultur-, Universitäts-, Regierungs- und Verwaltungsviertel, die im Rahmen einer Neuordnung der knappen Finanzen und einer sinnvolleren Nutzung von Raum-Ressourcen realisierte Veräußerung des alten Gemeindezentrums (Arcisstr. 35) zugunsten einer multifunktionalen Nutzung des Kirchenraumes. Die Herausforderung, diesen Raum anderen und mehr Formen von gottesdienstlichen und kulturellen Veranstaltungen als bisher zugänglich zu machen, lag auf der Hand. Die Kirchengemeinde hat sich dieser Aufgabe gestellt und eine erneute Innenumgestaltung der Kirche sowie zugleich eine Totalsanierung und Verbesserung der anliegenden Versammlungsräume initiiert.
Bau- und Umgestaltungsphasen in der Vergangenheit bis heute: 1874-1877: Planung, Grundstein, Baubeginn, Weihe; 1936: Kirche: Umgestaltung I (Bestelmeyer); 1944/45: Zerstörung und Kriegsfolgen; 1947-1955: Instandsetzung; 1955-1957: Kirche: Umgestaltung II (Gsaenger); 1977 (-1979): Kirche: Renovierung (Steinhauser); 2008-2009: Renovierung und Umgestaltung III (Wimmer).
Kunstwettbewerb
Umgestaltungen historisch gewachsener Kirchen sind Vorgänge der Gemeindeentwicklung und der Kirchwerdung. Orte für die Christusbegegnung zu definieren und zu gestalten ist eine „bildhafte Bekenntnisbildung, die im Feiern der Sakramente gipfelt.“ (Rainer Volp)
Die Umgestaltung der Münchner Markuskirche spiegelt den Aufbruch der Gemeinde im Sinne einer progressiven Fortentwicklung wieder. Das Kirchengebäude mit seiner Ausstattung ist Teil der Gemeindegeschichte. Unter Reflexion der bisherigen Entwicklung soll die Umgestaltung dem Aufbruch der Gemeinde entsprechen.
In der Markuskirche als sensiblem „Kulturgebilde“ ist eine respondive Gestaltungsweise auf die Situation der Gemeinde und des Kirchengebäudes als Gemeinde-, Kunst-, Konzert- und Kulturkirche zu erwarten. Voraussetzung ist die Auseinandersetzung mit dem historisch gewachsenen Raum. Gut begründete Eingriffe in den Bestand können zugunsten einer stimmigen Gesamtgestaltung vorgenommen werden.
Ziel der Umgestaltung des Kirchenraumes ist neben der verbesserten und zentralen Funktion des Gottesdienstraumes die Bereitstellung des Raumes für kulturelle Veranstaltungen.
Die Neuordnung des Chor- und Altarraumes erlaubt dabei ein grundlegendes Überdenken der liturgischen Orte und eine verbesserte Möglichkeit der Aufführung großer Musikwerke für Chororchester.
Die baulichen Gegebenheiten sind der hell verputzte neogotische Chorraum mit Holzbalkendecke und drei Farbglasfenstern, die Stufenanlagen aus Kalkstein und das neue vorgezogene Altarpodest zur Aufstellung des Altars nahe bei der Gemeinde. Der eingezogene Chorraum soll räumlich stärker an den lichteren Hauptraum mit seinen Emporen angebunden werden. Dazu werden ein einheitlicher Klinkerbelag und eine hellere Ausleuchtung des Chores beitragen. DieKirchenbänke werden durch Bestuhlung ersetzt.
Der Chor wird von alten Ausstattungselementen befreit und wird zum Ort der Taufe.Die beiden Sakramente der Evang.-Luth. Kirche, Taufe und Abendmahl, bestimmen dann in der Ausprägung der Prinzipalia den Chor- und Altarraum. Die Wortverkündung erfolgt heute von der seitlich vor dem Chorbogen angebauten Kanzel, gelegentlich vom Stehpult. Die Kalksteinverkleidung der Kanzel ist dem Material der Stützen, Bögen und Brüstungen des Kirchenraumes angeglichen.
Die für die Liturgie wichtigsten Ausstattungsobjekte sollen künstlerisch gestaltet werden. Diese so genannten „Prinzipalstücke“ sind der Altar, der Taufstein und ein Ambo oder Lesepult. Sie sind die Orte, an denen Liturgie als wichtigste Pointe des Zusammenspiels von Theologie, Kirche und Kultur stattfindet. An ihrer Gestaltung soll auch die Kunst, Gott zu feiern, zum Ausdruck kommen.
Ergebnis: Benjamin Bergmann, Prinzipalia
Das Preisgericht entschied sich für den Entwurf von Benjamin Bergmann und begründete dies im Wesentlichen dreifach, nämlich im Blick auf den Umgang mit dem Kirchenraum, auf die eingesetzten Materialien sowie auf künstlerische Qualität und Aussage.
Bergmann vermag nach Auffassung des Preisgerichts, den von ihm entwickelten liturgischen Prinzipalstücken von Taufbecken, Altar und Ambo einen besonderen Grad an formaler und ästhetischer Klarheit, Kraft, Präsenz und Schlüssigkeit zu geben. Durch ihre konsequent einheitliche Gestaltung stehen sie konzeptionell für ein Zusammenspiel von Raum und Liturgie.
Sie fügen sich einerseits organisch, natürlich und unaufdringlich in den bestehenden Kirchenraum ein. So bestehen sie auch neben anderen, bereits vorhandenen Elementen wie zum Beispiel der Kanzel, ohne sich dazu in Konkurrenz zu setzen. Andererseits treten sie selbständig und selbstbewusst genug auf, um sich innerhalb der Geschichte dieser Kirche bzw. einer gewachsenen und „alten“ Umgebung als Signum einer neuen „Zeitschicht“ ebenso gegenwartsbezogen wie nach vorne weisend zur Sprache zu bringen.
Die Idee, das durch die charakteristische Maserung nach wie vor als „Holz“ erkennbare Material über ein Gussverfahren in das dauerhafte, silbergraufarbene Material Metall zu transformieren, unterstreicht den Anspruch, den neuen Prinzipalstücken die Möglichkeit zu eröffnen, künftig und auf Dauer den vorhandenen Kirchenraum mitzuprägen. Bergmann erreicht eine Lösung, die formal, in den Proportionen und insbesondere durch das Material besticht. Dabei spielt der Einsatz von Licht eine hervorgehobene Rolle: alle drei Stücke sind von innen her illuminiert und geben ihr inneres Leuchten nach außen ab durch eine stete Reihung von Schlitzen oder Ritzen. Die Massivität der einerseits geschlossen-blockhaften Form erhält in dieser Lichtdurchlässigkeit andererseits eine unvermutete Leichtigkeit. Das Verwischen von Grenzen und die Verschiebung von Ebenen (von Holz zu Metall) verleiht den Objekten einen geradezu transitorischen Charakter – Irrealität und Spiritualität vermitteln sich subtil, werden jedoch auch immer wieder unterlaufen und leise ironisiert.
Der Entwurf, in dem quasi modern-industrielle Materialität und Realität mit einer hochspirituell aufgeladenen Umgebung ein enges Bündnis eingehen, stellt ein überzeugendes Beispiel zeitgenössischer Kunst dar. Es dient den geforderten Funktionen ideal, ohne sich als Kunstwerk per se in den Vordergrund drängen zu wollen.
(Künstlerwettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für die Neugestaltung des Chor- und Altarbereiches in der Evang.-Luth. Kirche St. Markus in München. Preisgericht | Sitzung am 12. Mai 2009 | Evang.-Luth. Landeskirchenamt München)
Helmut Braun
“Evang. Stadtkloster” – Diplomarbeiten von
Architekturstudierenden der TU München
Ort: Karmeliterkirche
Zum Abschluss ihres Architekturstudiums haben Studierende der TU München das Modell eines evangelischen Stadtklosters in der Innenstadt Münchens erarbeitet. Die Vorstellung einer kommunitären Lebensgemeinschaft in evangelischer Lesart scheint ungewöhnlich zu sein. Gleichwohl ist es eine der Zukunftsaufgaben des Protestantismus, Kirche im urbanen Raum zu entwickeln, die der Sehnsucht nach einer Vertiefung und Weitung des Daseins gerecht werden. Im Workshop werden die Diplomanden ihre Entwürfe zu einem evangelischen Stadtkloster vorstellen. In kleinen Gruppen werden die Besucher durch die Ausstellung geführt und können mit dem Studierenden diskutieren.
- Prof. Hannelore Deubzer, TU München / Prof. Dr. Thomas Erne, Philipps-Universität Marburg
Evangelische Präsenz in Profan- und Funktionsbauten
Ort: Evang.- Luth. Landeskirchenamt, Katharina-von-Bora-Straße 11, München
Kirchenbauten stehen in der Mitte der Gesellschaft, sie setzen Zeichen und prägen das Bild unserer Städte und Dörfer. Damit die Kirche ihren christlichen Verkündigungsauftrag leisten kann, ist Zuarbeit auf vielen Ebenen mit einer guten Organisation und einer effizienten Verwaltung unerlässlich. Erfolg versprechende Dienstleistung braucht moderne Strukturen und leistungsfähige Räume. Anhand von drei Beispielen, des 2013 neu gebauten Landeskirchlichen Archivs i n Nürnberg (Architekten Gerkan, Marg und Partner, Hamburg), des kurz vor dem Abschluss stehenden Erweiterungsbaus für das Landeskirchenamt in München (Architekten Wandel-Höfer-Lorch, Saarbrücken) und der Planung für ein multifunktionales „Haus der Kirche” in Augsburg (Staab-Architekten, Berlin) soll diskutiert werden, wie kirchliche Präsenz auch mit zeitgemäß konzipierten und attraktiv gestalteten Profanbauten in die Gesellschaft vermittelt werden kann.
- OKR Dr. Karla Sichelschmidt, Leiterin Landeskirchenamt München / Harald Hein, Landeskirchliches Baureferat, München mit den Architekturbüros Gerkan Marg und Partner, Hamburg / Staab Architekten, Berlin / Wandel Hoefer Lorch, Saarbrücken
Christliche Präsenz in unserer gebauten Umgebung mit architektonischer Ausdruckskraft zeigt sich in unserem Kulturraum in erster Linie durch Kirchengebäude. Sie prägen bis heute die Silhouette unserer Städte und Dörfer, sind Orientierungspunkte und Anlaufstellen im öffentlichen Raum und Zeugnis von hoher architektonischer Gestaltungskraft.
Doch für den christlichen Verkündigungsauftrag in unsere Gesellschaft benötigt die Kirche auch eine Grundversorgung mit dienenden Funktionen und eine gut organisierte Verwaltung. Auch in diesem Bereich ist evangelische Präsenz wichtig und wahrnehmbar.
Anhand von 3 aktuellen Projekten von Profanbauten mit jeweils überörtlicher Bedeutung und Ausstrahlung sollte in dem Workshop der Frage nachgegangen werden, welche Ziele, welchen Anspruch und welche Wertigkeit auch evangelische Profanbauten heute vermitteln können und wollen. Für diese Projekte – den Neubau des Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg, einen Erweiterungsbau für das Landeskirchenamt in München und ein multifunktionales „Haus der Kirche“ in Augsburg – wurde jeweils ein Architektenwettbewerb durchgeführt.
Zur Vorstellung dieser Projekte haben wir Vertreter der renommierten Architekturbüros eingeladen. Alle haben spontan zugesagt und so freuten wir uns, dass Herr Alexander Böhme vom Büro Staab Architekten aus Berlin (Haus der Kirche), Herr Dirk Heller vom Büro Gerkan, Marg und Partner gmp aus Hamburg (Archiv) und Herr Prof. Wolfgang Lorch vom Büro Wandel Hoefer Lorch aus Saarbrücken (Erweiterung Landeskirchenamt) jeweils ihre Projekte als Hauptverantwortliche persönlich präsentierten und erläuterten. Die „Präsenz“ der Vertreter dieseräußerst erfolgreichen Architekturbüros und die Möglichkeit, den fast fertig gestellten Erweiterungsbau des Landeskirchenamts zu besichtigen, haben sicherlich dazu beigetragen, dass dieser Workshop mit über 60 Teilnehmern einerder bestbesuchten des Kirchbautags war.
Bei den Rückfragen zu den Präsentationen und bei der abschließenden Diskussion auf der Baustelle zielte das Gespräch immer wieder auf die Frage nach der Mitte. Die christlichen Kirchen als wichtige gestaltende Kraft haben ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft und in der Mitte unserer Städte und Dörfer. Doch gerade in den Zentren der prosperierenden Großstädte führen ein hoher wirtschaftlicher Druck mit zunehmender Verdichtung zu einer dynamischen Preisentwicklung bei Grund und Boden und zu einem Verdrängungswettbewerb. Zudem ist Bauen in dichter Nachbarschaft kompliziert. Teilweise höchst aufwändige Gründungen und Unterfangungen, archäologische Grabungen, Altlastenbeseitigung, beengte Baustelleneinrichtungen, notwendige Tiefgaragen etc. machen innerstädtische Bauten wesentlich teurer als auf der „grünen Wiese“. Die Mitte hat ihren Preis und z. B. in München inzwischen einen sehr hohen Preis.
Da kam die Frage eines Teilnehmers nach einer Verlegung des Landeskirchenamts an den Stadtrand oder gar an einen anderen Ort nicht zu überraschend. Aber gerade in München, wo sich die evangelische Kirche äußerst schwer getan hat, erst seit dem 19. Jahrhundert überhaupt einen Platz zu finden, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, den Platz auch in der gebauten Mitte zu halten. Schließlich ist das Landeskirchenamt nicht nur ein Ort der Verwaltung sondern auch der Sitz des Landesbischofs, des Landeskirchenrats und der Geschäftsstelle der Landessynode.
Im Wettbewerb mit anderen gesellschaftlichen Kräften und Unternehmen, die in attraktiven Städten in die Mitte drängen, ist die Kirche der Öffentlichkeit gegenüber in der Pflicht, den Anspruch auf den Platz in der Mitte auch mit einem Anspruch an Gestaltung und Wertigkeit zu folgen. Dieser architektonische Anspruch darf kein Selbstzweck oder wie im Falle der Bischofsresidenz in Limburg ( Fragen zu Maß bzw. Maßlosigkeit in diesem Zusammenhang gab es natürlich auch) im Wesentlichen nach innen gerichtet sein und dem Repräsentationsbedürfnis einiger weniger Privilegierter dienen.
Kirchliche Präsenz muss auch mit Profan- und Funktionsbauten in unsere Gesellschaft hinein wirken. Auch sie bilden einen wichtigen Bestandteil unserer Baukultur und dürfen nicht zur Randerscheinung werden.
Harald Hein
Jugendkirchen – Erfahrungen und Projekte
Ort: Rogatekirche, Bad-Schachener-Straße 28, München
Im Zuge knapper finanzieller Ressourcen und steigender Immobilienlasten kommt es zu einer Konzentration kirchlichen Lebens in bestehenden Kirchengebäuden. Gleichzeitig wird dem Bedürfnis Jugendlicher entsprochen, Räume zur Verfügung zu haben, die ihrem Anspruch an Ausrucksformen der Spiritualität gerecht werden. Zukünftig werden Kirchengemeinde und Evangelische Jugend die Rogatekirche gemeinsam nutzen. Aus dem hierzu ausgelobten Wettbewerb ging das Münchner Büro Drescher+Kubina als Sieger hervor. In der Rogate-Kirche wird anhand von zwei bereits umgesetzten Beispielen [Jugendkirche LUX in Nürnberg (Architekt Nörpel), Jugendkirche in Hamm/Westf.) diskutiert, wie das kirchliche Profil der Jugendarbeit und das jugendgemäße Profil der Kirche geschärft werden kann. Jugendliche sollen erkennen: In dieser Kirche habe ich Raum im doppelten Sinn.
- Stefan Neukamm, Gesamtkirchengemeinde München/ Klaus Schmucker, Evang. Dienste München
Jugendkirchen – Erfahrungen und Projekte – Rogatekirche München
Der Workshop in der Rogatekirche fand auf Grundlage der laufenden Planung für das Projekt „Jugend in der Kirche – Evangelische Jugendkirche in München“, statt. Kirchenrat Klaus Schmucker, Leiter der Evangelischen Dienste und „Kopf“ des Münchner Jugendkirchenprojekts begrüßte die Teilnehmer.
Professor Ulrich Schwab führte mit einem Impulsreferat in die Thematik Jugendkirchen ein und spannte dabei einen Bogen von den ersten realisierten Projekten der 1990er Jahre bis zu den Vorhaben der heutigen Zeit. Wichtig war ihm v. a. wie es zukünftig gelingt, die Jugendlichen in die Überlegungen zur Gestaltung von Jugendkirchenprojekten einzubeziehen und welche zeitgemäßen Formen von Spiritualität und weitere Aspekte notwendig sind, um Kirche für Jugendliche über solche Projekte wieder attraktiv zu machen, oder ob dies vielleicht gar nicht notwendig ist. Es wird zukünftig mehr und mehr dazu kommen, dass die traditionelle Zugehörigkeit zur Gemeinde ersetzt wird durch neue Formen flexibler und aktueller Partizipation.
Der Architekt des Münchner Projekts, Herr Drescher, stellte im Anschluss die Planung für den Umbau der Rogatekirche vor, danach wurden zwei bereits realisierter Beispiele [Jugendkirche LUX in Nürnberg (Architekt Nörpel, Pfarrer Fritsch), Jugendkirche in Hamm/Westf. (Architekt Kusch, Herr Miermeister) vorgestellt. Auf Basis dieser drei Projekte wurde diskutiert, wie das kirchliche Profil der Jugendarbeit und das jugendgemäße Profil der Kirche geschärft werden kann.
Dabei wurde deutlich, dass die Einbeziehung der Jugendlichen im Vorfeld der wichtigste Aspekt für das Gelingen eines Projekts ist. Insbesondere bei der Jugendkirche LUX in Nürnberg gab es ein Projektteam, dass bereits vor Auslobung des Wettbewerbs intensiv an der Konzeption gearbeitet hat. Dieses Team hat den Planungsprozess begleitet und arbeitet zum Teil bis heute in der Jugendkirche mit. Auch die denkmalgechützte Innenstadtkirche in Hamm wird von den Jugendlichen gut angenommen, ist es doch auch dort gelungen, die späteren Hauptnutzer frühzeitig in die Konzeption und die bauliche Umsetzung einzubeziehen.
In zwei kleineren Arbeitsgruppen wurden im Anschluss verschiedene Aspekte für das Gelingen von solchen Projekten erarbeitet. Auch dabei wurde nochmals deutlich, dass vor jeder baulichen Planung die Grundvoraussetzung einer klaren Konzeption gegeben sein muss. Eine Begleitgruppe aus Haupt- und Ehrenamtlichen wird als wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Identifikation mit der späteren Jugendkirche gesehen.
Kirchbauprogramme anhand gebauter Beispiele
Ort: Kirche St. Matthäus am Sendlinger-Tor-Platz, München (Johanneskirche u.a.)
Seit dem Eisenacher Regulativ 1861 sind im evangelischen Kirchenbau in unterschiedlichen Zeitabständen immer wieder neu Kirchbauprogramme aufgestellt und entwickelt worden. Im Workshop sollen die vier evangelischen Münchner Innenstadtkirchen – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – aufgesucht und je vor Ort der Frage nachgegangen werden, welche Programme sich hier in Bau und Raum ablesen lassen. Im Abschluss soll überlegt werden, welche Parameter ein heutiges Programm auflisten müsste und ob in den Herausforderungen des frühen 21. Jahrhunderts ein neues evangelisches Kirchbauprogramm diskutiert werden sollte.
- Dr. Matthias Ludwig. Theologe, Schweinfurt
- Pfarrerin Beate Frankenberger, München
- Pfarrer Helmut Gottschling, München
Seit dem Eisenacher Regulativ 1861 sind im evangelischen Kirchenbau in unterschiedlichen Zeitabständen immer wieder neu Kirchbauprogramme aufgestellt und entwickelt worden. In diesem Workshop sollten die vier evangelischen Münchner Innenstadtkirchen – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – aufgesucht und je vor Ort der Frage nachgegangen werden, welche Kirchbau-Programme sich hier ggf. in Bau und Raum ablesen lassen. Im Abschluss sollte überlegt werden, welche Parameter ein heutiges Programm auflisten müsste und ob in den Herausforderungen des frühen 21. Jahrhunderts ein neues evangelisches Kirchbauprogramm diskutiert werden sollte.
Die vier bedeutendsten evangelischen Kirchbauprogramme aus den letzten gut 150 Jahren in ihren Wirkungen anhand vier gebauter Beispielkirchen in kurzer Zeit nebeneinanderbetrachten zu können – das dürfte ein Spezifikum des evangelischen München sein. Denn hier, wo Protestanten erst seit kaum mehr als 200 Jahren siedeln können, entstammen die heutigen zentrumsnahen Kirchen St. Matthäus, St. Lukas, St. Johannes und St. Markus einschließlich an ihnen vorgenommener Veränderungen und Umbauten allesamt der Zeit seit Entwicklung des Eisenacher Regulativs 1861.[1] Zwar wurde der Ursprungsbau der St. Matthäus-Kirche schon früher, 1827-33, als erste protestantische Kirche Münchens errichtet. Doch wurde dieser 1938, in nationalsozialistischer Zeit, abgerissen. In der Nachfolge entstand – nach Plänen des Architekten Gustav Gsaenger – 1953-55 an neuem Ort ein gänzlich neues Kirchengebäude.
„Herrgotts Achterbahn“
Das als eine der frühesten Architekturen der organhaften Moderne im Kirchenbau in Süddeutschland entstandene Bauwerk – „Herrgotts Achterbahn“ – zeigte aus Sicht der Teilnehmenden im Workshop in Gestaltung und Einrichtung Verbindungen zu den 1951 von der 2. Evangelischen Kirchbautagung aufgestellten Rummelsberger Grundsätzen. Diese fordern etwa für den Altar eine feste Form und erhöhte Position in der Mittelachse des Raumes oder auch ein klares Herausgehobensein der Kanzel. Die Architektur von St. Markus lässt im Gottesdienstraum zunächst eine zentralraumartige Anlage erscheinen, deren Einrichtung jedoch längsgerichtet auf einen über sieben Stufen angeordneten, bühnenartigen Altarbereich zuläuft. Diskutiert wurde im Verlauf von Erkundung und Betrachtung der abgelegene, unscheinbare Standort des Taufsteins im nördlichen Bereich der Altarbühne. Festgestellt wurde eine schwierige Akustik (hoher Nachhall), die sich von der Kanzel aus allerdings als gut erwies – auch ohne Mikrofon.
Von einem Mitglied des Kirchenvorstands wurden in der Sakristei, die auch Ausstattungsstücke aus dem Vorgängerbau bewahrt, Fragen von Teilnehmenden, etwa zur Größe der Kirchengemeinde, zur Anzahl der Pfarrstellen, zu Gottesdienstbesucherzahlen oder zum Fassungsvermögen der Kirche beantwortet. Vielfältig sind die Funktionen von St. Matthäus: So dient der unter einem Dach auch Pfarr- und Gemeinderäume einschließende Bau nicht nur als Pfarr- und Bischofskirche, sondern ist etwa auch Anlaufstelle für Menschen ohne kirchliche Bindung im landeskirchlichen Auftrag (Projekt „Matthäusdienste“), beherbergt Motorradfreunde als Personalgemeinde, ist Veranstaltungsort für kulturelle Ereignisse wie Konzerte und bietet vierzehntäglich ein Frühstück, bei dem sich 80-100 Obdachlose und Obdachhabende treffen.
„Dom der Münchner Protestanten“
An der St. Lukas-Kirche, dem „Dom der Münchner Protestanten“, erstellt 1893-96 nach Plänen von Albert Schmidt, bemerkte man im Workshop zunächst die „Mimikry“ dieser evangelischen Kirche: „… schaut katholisch aus…“. Während der kreuzförmige Grundriss und das Erdgeschoss in seiner Längsorientierung deutlich Verbindungen zum Eisenacher Regulativ aufzeigen, wurde auf Emporenebene eine Zentralraumanlage um die hoch aufragende Kuppel erfasst: So scheine in der dort ersichtlichen Ausrichtung auf die Kanzel das Wiesbadener Programm von 1891 auf, werde erst hier die Kirche als evangelisch erkennbar. Entsprechend wurde der vom romanisch-gotischen „Übergangsstil“ geprägte Backstein-Bau als zwischen beiden Kirchbau-Programmen schwebend und nicht entschieden wahrgenommen – mit daraus resultierenden Widersprüchen in Architektur und Ausstattung.
Die Ausrichtung der Kirche gen Nordwesten und die zur Isar hin angelegte, stadtbildprägende Schaufassade wurden zudem nicht von gemeindlichen Belangen, sondern von einstigen stadtplanerischen Vorgaben her bestimmt festgehalten. In der Auseinandersetzung vor Ort wurden Fragen zur Möblierung aufgeworfen – wie etwa: „Zeitgemäß? Müssen Kirchenbänke sein? Können Querbänke entfernt werden? …“ Den Altar nahmen Teilnehmende als „Mausoleum“ wahr. Aus gemeindlicher Perspektive trug man vor, dass über die Gottesdienstgestaltung hinaus nicht ausreichend Platz – im Sinne von Freiraum – zur Verfügung stehe. Behandelt wurden – angesichts der heutigen, eher abseitigen Aufstellung des Taufsteins – Fragen zur Taufhandlung. Den heutigen Standort der Orgel stellte man als spätere Veränderung fest.
Im Gespräch negativ hervorgehoben wurde die Gestaltung der Deckenflächen unter den Emporen – „Saunadecke“ -, dies wurde mit tiefgreifenden, weiten teils aber nicht ausgeführten Umgestaltungsplänen der 1960er Jahre in Zusammenhang gebracht. Differenziert nahm man den Lichteinlass wahr, das Erdgeschoss wurde als dunkel, das Obergeschoss hingegen als sehr hell und überstrahlend, dominierend empfunden. Generell wurde die Vielschichtigkeit der Kirche bemerkt, der erste Eindruck eines schwer und düster verändere sich mit Durchschreiten der Kirche bis hin zum Obergeschoss als hellem Kontrast. Aufgeworfen wurden schließlich auch Fragen zur Fenstergestaltung: „Original? Wie weit ursprünglich farblich gestaltet? …“.
Die Eingangssituation an der Hauptverkehrsstraße fand unterschiedliche Würdigungen: So droht Gästen bei vollem Haus Gefahr. Zugleich zeige sich dort aber ein guter Kontrast vom rastlosen Stadtleben zum Ort der Stille. Diskutiert wurde im Rahmen von Begehung und Auseinandersetzung eine zwischen Kirche und Stadt neu zu entwickelnde Eingangssituation von St. Lukas sowie eine grundsätzlich zukunftsweisende Neueinrichtung des wesentlich in seiner Ursprungsgestalt überkommenen Kirchengebäudes. Hierbei wurden Spannungen sichtbar zwischen denkmalpflegerischen Belangen, das Erscheinungsbild des Raumes auch von gemeindlicher Seite grundsätzlich wahrenden Stimmen sowie dezidiert nutzungstechnisch belegten Erfordernissen und den Raum öffnenden Ansätzen im Streben nach einer für den Standort zeitgemäßen Gemeinde- und Kulturkirchenarbeit.
So machen Kunstausstellungen, Thomasmesse und Konzerte mit klassischer wie moderner Musik St. Lukas über die Gottesdienste hinaus zu einem Lebensraum – offen für Alle. Links der Kanzel wird eingeladen, Andacht zu halten, eine Kerze anzuzünden, an der Pinnwand Danken oder Bitten aufzuhängen. Rechts hinter dem Altarraum findet sich eine der beiden Kindergartengruppen der Gemeinde. Der Keller unter dem Altarraum wird von Mitte November bis Mitte April als Schlafstätte für obdachlose Frauen geöffnet, Ehrenamtliche laden dann hier zu Abendessen, Übernachtung und Frühstück ein. Diese und manch weitere Nutzungsansätze gälte es bei einer Neuentwicklung des Kirchenraums zu stärken und auszubauen, etwa mit verbesserten Sanitäranlagen, Versorgungseinrichtungen und auch einem Cafebereich.
Ein neoromanisches Backsteinquadrat mit flexibler Nutzung
Die 1913-16 nach Plänen von Albert Schmidt als Backsteinbau in neoromanischer Formensprache errichtete, aus der Grundform eines Quadrats entwickelte St. Johannes-Kirche zeigt im Inneren ein Raumbild der frühen 1980er Jahre. Unter starker Beteiligung der Gemeinde wurde sie seinerzeit – nach Entwürfen von Theo Steinhauser und Udo Graefe – in ein Gemeindezentrum verwandelt. Unter Abtrennung von Raumteilen im Bereich der Emporenanlage mittels verglaster Trennelemente entstanden so ein wesentlich verkleinerter, flexibel eingerichteter Gottesdienstraum und etliche, bei Großveranstaltungen diesem auch wieder zuschaltbare Gemeinderäume.
Dieser Umbau, einst als Modell gefeiert und in seiner Grundidee bis heute bundesweit vielfach nachgeahmt, griff den wenige Jahre später formulierten Wolfenbütteler Empfehlungen des Evangelischen Kirchbautages (1991) zum Teil schon vor. Von Teilnehmenden wurde er im Rahmen einer Kurzbesichtigung allerdings kritisiert: So wurde die Ausstattung und Gestaltung der 1980er Jahre als heute überholt wahrgenommen und eine manchen – vor allem beim umstellbaren Altar – zu weit gehende Flexibilität bemängelt. Der ehemalige Altarraum wurde von einigen als zu entleert hinterfragt. Festzustellen ist allerdings eine mit dem Umbau stark intensivierte Nutzung der Kirche: St. Johannes dient seither einem innovativen Gottesdienst- und Meditationsangebot, einem vielgestaltigen Musikprogramm und zahlreichen anderen Veranstaltungen.
Ein neugotischer Sakralbau mit Wandlungsfähigkeit
Die 1873-77 unter Rudolf Wilhelm Gottgetreu, später Georg Eberlein erbaute St. Markus-Kirche schließlich basierte in ihrer Grundform eines neugotischen Saalbaus, einer Emporenhalle, wesentlich auf dem Eisenacher Regulativ. Erste Umgestaltungen, Kriegszerstörung, veränderter Wiederaufbau und seither weitere tiefgreifende Umbauten sorgten jedoch für eine radikale Veränderung des Gebäudes. Von Teilnehmenden wurde der aktuelle Kirchenraum, zuletzt 2008-10 unter Architekt Eberhard Wimmer als Kultur- und Konzertkirche neu gestaltet, als sehr klarer, heller Raum charakterisiert.[2] Diskussionen entwickelten sich beim Kurzbesuch vor Ort an den neuen, aus einem Wettbewerb hervorgegangenen Prinzipalien von Benjamin Bergmann (Altar, Ambo, Taufe), die sich als offene, von innen beleuchtete „Bretter-Konstruktionen“, freilich aus Aluminiumsandguss, präsentieren.
Im Gemeindesaal des heute als Sitz des Stadtdekans von München und des Dekans von München-Mitte, als Pfarrkirche, als Universitätskirche für alle Hochschulen in München sowie Kultur und Musik dienenden Kirchenbaus von St. Markus wurde der Workshop abschließend ausgewertet. Dabei wurden die vier sehr unterschiedlichen Bau- und Raumeindrücke im Gegenüber zu den stark divergierenden vier Kirchenbauprogrammen aus den letzten 150 Jahren zusammengeführt. Zugespitzt wurde die Diskussion durch ein Impulsreferat – „Herausforderungen für ein Kirchbauprogramm der Zukunft anhand von St. Lukas in München“ – von Beate Frankenberger. Darin suchte sie die aktuelle Nutzungs-Programmatik der St. Lukas-Kirche in ein Gegenüber zu daraus resultierenden Bedürfnissen und Forderungen an eine zukunftsweisende Gestaltung und Einrichtung ihres Innenraums zu stellen.[3]
„Was möchte die Kirche gut machen?“
In der folgenden Schlussdebatte wurde festgestellt, es werde die eierlegende Wollmilchsau gefordert: Es gebe keine klaren Erwartungen an den Kirchenbau und die damit verbundene Nutzung. Es solle keine Wohnzimmerlichkeit herrschen, aber doch solle es zweckmäßig sein. Klarheit werde gesucht – und dann wieder Vereckung gefordert (Spielecke, Infoecke, …). Sodann gebe es unterschiedliche Anforderungen, etwa in ländlicher oder städtischer Situation – oder im konfessionellen Kernland bzw. in der Diaspora. Weiter wurde dargelegt, BMW und FCB (FC Bayern München) ließen – wie auch bei einer Kirchbautags-Exkursion am Vortag ersichtlich – ein Kerngeschäft erkennen und machten Eines gut: „Was möchte die Kirche gut machen?“
Aufgeworfen wurde die Frage nach Kulturkirche und/oder Gemeindekirche: „Widerspruch? Definition? …“ Hier wurde die klare Stellungnahme vermisst. Die kirchliche Kultur wurde als Vielseitigkeit der Anforderungen wahrgenommen. Angeregt wurde, Kommunikation solle die kirchliche Kultur beherrschen – Vermitteln der Kernbotschaft, Kirche als Raum des Wesentlichen, der Stille und keine Reizüberflutung durch Plakatwände, Ausstellungen u.ä. … Als Aufhebung der gegenseitigen Positionen wurde gefordert, die Unbestimmtheit zuzulassen. Nicht alles sollte durchgeplant werden, man müsse nicht alle Probleme lösen wollen. Vielmehr sollte es eine Tendenz zum Weiterentwickeln geben.
Dies müsse freilich intelligent entworfen werden, um nächsten Generationen die Chance zu geben, eine Kirche ihren Bedürfnissen anzupassen. Gebrochen wurde am Ende eine Lanze für das Wiesbadener Programm, das um die Taufe erweitert werden sollte, ansonsten aber den aktuellen Anforderungen entspreche. Den Schlusspunkt in der Diskussion um Ansätze für ein künftiges Kirchbauprogramm bildete die Frage nach der Qualität und nach Qualitätsstandards bzw. deren Entwicklung.
Herausforderungen für ein Kirchbauprogramm der Zukunft anhand von St. Lukas in München
2004 haben wir junge Künstler der Akademie der Bildenden Künste München nach St. Lukas eingeladen. Ihre Sichtweisen auf denKirchenraum haben die Gemeinde bewegt. Monika Felgendreher, eine der Künstlerinnen, hat aus St. Lukas ein Museum gemacht. Diese Intervention rief Irritationen bei Besuchern hervor. Ist es die Bestimmung von großen historischen Kirchen wie St. Lukas, in Zukunft ein Museum zu werden? Das ist die provozierende Frage dieser Kunstaktion.
Wenn St. Lukas kein Museum werden soll, was braucht dieser Bau, um weiterhin mit Leben gefüllt zu werden?
Mit seiner Zentralkuppel und den Türmen prägt die Lukaskirche von der Isar aus gesehen das innerstädtische Stadtbild wie kaum eine andere Kirche. St. Lukas steht für Evangelische Präsenz in der Stadt schlechthin. Wie es am 9. Oktober 2014 auch im Vorbericht zum Evangelischen Kirchbautag in der Süddeutschen Zeitung stand. Gebaut wurde sie als Ausdruck protestantischen Selbstbewusstseins im 19. Jahrhundert für ein aufstrebendes Bürgertum.
Betritt man die größte evangelische Kirche Münchens von der viel befahrenen Isarstraße her, umfängt einen eine stille, ehrwürdige Atmosphäre. Der monumentale Stil von außen wird fortgeführt. Alles Hören und Sehen ist auf Kanzel und Altar ausgerichtet. Unterstrichen wird die Bedeutung von Wort und Sakrament durch die Darstellung der Evangelisten in den Vierungen der Hauptkuppel und in den Schnitzereien an den Kirchenbänken und an der Kanzel. Die Rosetten heben zwei Erzählungen des Lukas-Evangeliums hervor, nach dem die Kirche benannt ist. Vom Bildprogramm her hält sich die Kirche an das Eisenacher Regulativ von 1861: Bilder sollen das Heilsgeschehen darstellen. Der Kirchbau selbst mit seinem ovalen Grundriss und seiner Längsausrichtung ist eine Mischung von Eisenacher Regulativ und Wiesbadener Programm.
Die große Kuppel von St. Lukas hält schon seit ihrer Erbauung unterschiedliche Stilgemische und überhaupt recht unterschiedliche Lebensweisen unter einem Dach zusammen.
Unter dem Dach von St. Lukas herrscht ein lebendiges Treiben. Das hat Auswirkungen auf den Raum. Vier Funktionen möchte ich nennen:
St. Lukas – Kulturelles Zentrum
Vielfältige kulturelle Angebote bietet die Kirche schon seit geraumer Zeit in den Bereichen Musik, Theater, Kunst, Literatur und Tanz. Zahlreiche Konzerte und Kunstprojekte ziehen Menschen über konfessionelle und Glaubens-Grenzen hinaus an. Über 35.000 Menschen nutzen die Angebote der Lukaskirche jährlich. Sie besuchen Konzerte und Kunstprojekte. Performances, ökumenische Prozessionen. Weltliche Prozessionen wie z.B. am Welt-Aids-Tag enden mit einer Gedenkfeier in St. Lukas. Die Kirche setzt Zeichen für den interreligiösen Dialog mit Juden und Muslimen, protestiert gegen rechtsradikale Aufmärsche.
St. Lukas ist Hauptpredigtstätte für die Regionalbischöfin von München und Oberbayern. Die Gemeinde hat ein Konzept für künstlerische Interventionen im Raum verabschiedet, das mit den Forderungen des Eisenacher Regulativs nichts mehr zu tun hat. St. Lukas gilt als eine von 33 Kulturkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Bei einem Umbau des Innenraumes muss auf diese Entwicklung Rücksicht genommen werden.
St. Lukas – Oase im Stadtgetriebe
Die Lukaskirche ist mitten in der Großstadt eine Oase, ein Ort des spirituellen Auftankens.
Noch heute spielt die Ausrichtung des Portals der Kirche auf die Isar hin eine große Rolle. Täglich kommen viele Besucher als Touristen oder als Mitarbeiter der benachbarten Institutionen während der Mittagspause oder als flanierende Fußgänger der Isarauen übers Jahr in die Kirche. Diese Kirche ist Oase in der Stadt.
Von außerhalb der Stadt, aus der eigenen Gemeinde sowie aus anderen Kirchengemeinden kommen Evangelische und anders konfessionell geprägte Menschen zu den unterschiedlichen gottesdienstlichen Angeboten wie Lyrik-, Theater- und Kunstgottesdiensten oder zu Gottesdiensten mit Gospel, klassischer und innovativer Musik.
St. Lukas – Kirche fürs Quartier
Für Familien in allen Formen, Alleinerziehende, für Singles und Menschen, die im umliegenden Stadtteil Lehel arbeiten, bietet die Kirche Heimat. Die Kindergärten rund um die Kirche nutzen den Spielplatz vor der Kirche oder gehen zu Exkursionen an die Isar an Naturtagen. Schüler aus den umliegenden Schulen nehmen an Kirchenführungen und zahlreichen Schulgottesdiensten teil.
St. Lukas – sozialer Stützpunkt
Obdachlosen Frauen bietet der Lukaskeller ein Obdach im Winter. Ca. 50 Ehrenamtliche engagieren sich für die Menschen, die sich diese reiche Stadt nicht leisten können und durch die sozialen Netze gefallen sind. Für einige von ihnen ist der Isarraum Wohnzimmer und der Innenraum der Kirche Schlafzimmer.
St. Lukas steht vor einer Innen-Sanierung, um die Kirche zukunftsfähig zu machen. Es gilt, den Raum den Menschen der Stadt noch mehr zu öffnen.
Herausforderungen der Zukunft sind:
1. Ein lichter und flexibler Raum
Betritt man die Kirche von außen, fällt auf, wie dunkel und grau diese Kirche wirkt. Die Atmosphäre wirkt starr und streng durch die vielen Kirchenbänke, wie ein Hörsaal. Ist die Zukunft dieser Kirche die eines (verstaubten) Museums mit Lehrcharakter?
Das Schönste am Innenraum dieser Kirche ist seine Weite und Größe. Dieser Raum braucht Licht und Leere, weniger Lehre. Wie sähe ein Raumprogramm der Zukunft für St. Lukas aus, das diese Botschaft verkörpert?
Die Vielzahl der kulturellen und gottesdienstlichen Angebote wie z.B. Tanzgottesdienste erfordern ein anderes Raumkonzept. Es braucht ein flexibleres Raumkonzept mit Rücksicht auf den historischen Charakter.
Das Bedürfnis der Besucher heute ist nicht mehr allein auf Kanzel und Altar ausgerichtet. Passt das Bauprogramm eines Eisenacher Regulativs, wie es im Innenraum der Kirche zur Geltung kommt, zu dem, was Besucher geistig und leiblich erfahren wollen? Braucht diese Kirche wirklich noch Bänke für 1800 Sitzplätze?
Der Raum der Lukaskirche fasziniert Theatermacher und Künstler. Schon die Wolfenbütteler Empfehlungen forderten die Auseinandersetzung mit der Gegenwartskunst. Welche Ausstattung braucht die Kirche dafür?
2.Die Inszenierung des Raumes.
Licht inszeniert einen Raum. Für Konzerte, Kunstinstallationen, Gottesdienste und Feiern braucht es unterschiedliche Lichtkonzepte und Akustik, die den jeweiligen Charakter der Veranstaltung untermalen bzw. zu Gehör bringen.
3. Praktikabel soll ein Kirchbau sein.
Ein Kirchenraum ist ständig in Bewegung. Er ist Lebens- und Arbeitsraum. Für den Alltag braucht es genauso ein Raum- und Licht-Konzept wie für Gottesdienste und Konzerte. Es braucht mehr Personal, um den Raum für verschiedene und unterschiedliche Angebote inszenieren zu können. Es braucht Personal, das Lust an der Gestaltung des Raumes hat. Oft gibt es nur einen einzigen Mesner für riesige Gebäude. Die Inszenierung des Raumes darf ihm nicht allein überlassen werden. Es braucht Personal für den Servicebereich, Putzkammern sind so wichtig wie ausreichend Toiletten und jemand, der sie putzt. Das alles ist mit zu bedenken und mit zu kalkulieren. Denn Ehrenamtliche wird es dafür in Zukunft nicht mehr geben.
4. Der Kirchenraum soll Erhabenheit und Geborgenheit vermitteln.
Fast alle großen Kirchen neigen zur „Vernischung“. Da ein paar Kerzen, hier Podeste oder ein Stuhlkreis. Oder, wie kürzlich in Straßburg im Temple Neuf gesehen, die Bilder von den Taufkindern, hier die Spielecke, damit sich auch die Kleinsten wohlfühlen. Menschen machen sich ihre Kirchen zum Wohnzimmer, zu einem Raum, in dem sie persönlich vorkommen. Sie sehnen sich nach Geborgenheit.
Für diese Bedürfnisse suchen sich Menschen Nischen in der Kirche.
Wie kann es gelingen, im Kirchbau dem Bedürfnis nach Geborgenheit und dem nach Transzendenz gleichermaßen gerecht zu werden?
Für den Innenraum von St. Lukas könnte ein neues Kirchbauprogramm, das u.a. diese Kriterien erfüllt, zukunftsweisend sein.
Matthias Ludwig, Beate Frankenberg, Helmut Gottschl
<ahref=”#_ftnref1″ name=”_ftn1″>[1] Ausdrücklich danken wir Herrn Erik Fiedler vom Landeskirchenamt der Ev.-Luth. Kirche in Bayern für seine Aufzeichnungen im Verlauf des Workshops, die uns als eine wesentliche Grundlage bei den folgenden Ausführungen dieses Berichtes dienten.
[2] 2006 Wettbewerb unter fünf Münchner Architekturbüros: „Sanierung der Gemeinderäume und Innenumgestaltung der Kirche“ – 1. Preis: Guggenbichler& Netzer, 2. Preis: Eberhard Wimmer, 3. Preis: Florian Nagler. Auftrag an E. Wimmer, sein Entwurf erhielt – im Rahmen des 26. Evangelischen Kirchbautags 2008 in Dortmund – den 3. Preis in einem Wettbewerb der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler (KiBa).
[3] Vgl. dazu den Text Beate Frankenberger: „Herausforderungen für ein Kirchbauprogramm der Zukunft anhand von St. Lukas in München“ in diesem Band.
Kirche in der Öffentlichkeit – Kirche und Politik
Ort: Evangelische Akademie Tutzing, Schloßstraße 2-4
Nach evangelischer Präsenz zu fragen, bedeutet, ernst zu nehmen, dass die evangelische Kirche nicht im luftleeren Raum existiert, sondern Teil der Gesellschaft ist und als solcher Verantwortung übernimmt. Der Workshop beschäftigt sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Partizipation der Kirche. In welcher Weise bringt Kirche sich und ihre Überzeugungen in öffentliche Diskurse ein und welcher Medien bedient sie sich dabei? Welche Folgen hat ihre Präsenz im Zusammenhang gesellschaftspolitischer Debatten? Soll sie sich überhaupt einmischen oder politisch neutral bleiben? Diesen und anderen Fragen soll im Rahmen dieses Workshops nachgegangen werden. Dabei soll im Blick behalten werden, dass es sich nicht um Fragen zweiter Ordnung handelt, sondern ihre Beantwortung Folgen hat für das Selbstverständnis der evangelischen Kirche.
- Dr. Günter Beckstein, Ministerpräsident a.D, Nürnberg. / OKR Dr. Thies Gundlach, EKD, Hannover / Udo Hahn, Ev. Akademie Tutzing
Beckstein: Kirchen müssen sich politisch einmischen
EKD-Cheftheologe Gundlach: Kirchen sind keine Bundesagentur für Werte
Tutzing (epd). Für den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Günther
Beckstein (CSU) ist es selbstverständlich, dass sich die Kirchen politisch
zu Wort melden. Politik habe meist auch ethische Bezüge, zum Beispiel die
derzeit hochaktuellen Themen Sterbehilfe oder der Umgang mit Asylbewerbern,
sagte Beckstein am Samstag in der Evangelischen Akademie Tutzing im
Rahmen des 28. Evangelischen Kirchbautages in München. Zusammen mit
dem Cheftheologen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies
Gundlach, diskutierte er in einem Workshop über Kirche in der Öffentlichkeit.
Im Artikel 1 des Grundgesetzes stehe, dass die Menschenwürde unantastbar
sei, sagte Beckstein, der auch Vizepräses der EKD-Synode ist. Danach hätte
sich Politik stets zu richten. „Die Menschenwürde so in den Mittelpunkt zu
stellen, ist auch eine Spezialität des Christentums.“ Er erwarte daher, dass
sich die Kirchen deutlich zu Wort melden – allerdings in dem Wissen, „nicht
automatisch politische Weisheiten gepachtet“ zu haben. „Kirche muss sich
bewusst sein, dass sie Impulse setzt und keine Wahrheiten verkündet.“
Der EKD-Cheftheologe Gundlach dagegen kritisierte zu viel politische Einmischung
vonseiten der Kirchen. „Wir sind keineBundesagentur für Werte“,
mahnte der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes. Gundlach forderte, dass
vielmehr die „innere Kultur“ in seiner Kirche gestärkt und etwas gegen den
Mitgliederschwund getan werden müsse. Die evangelische Kirche sollte die
verschiedenen Milieus, in der ihre Mitglieder beheimatet sind, ansprechen,
sowie in den Medien und im Internet präsent sein. „Wir müssen die Menschen
einladen, zu uns zu kommen, und wir müssen zu ihnen gehen.“
Mit Blick auf die steigenden Flüchtlingszahlen hält Beckstein sogenannte
Aufenthaltsbefugnisse anstelle von Asyl für sinnvoll. Als bayerischer Innenminister
habe er in den 1990er Jahren auf diese Weise versucht, vor allem
die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jugoslawien schnell und unbürokratisch unterzubringen.
Diese Menschen hätten eine Aufenthaltsbefugnis für drei Jahre
bekommen und so eine Wohnung und Arbeit suchen können, erläuterte er.
Damit habe man eine angespannte Unterbringungssituation – wie heute der Fall
– vermeiden wollen. Die beiden Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern sind seit
Monaten überfüllt. Bis Ende dieses Jahres werden im Freistaat rund 35.000
Asylbewerber erwartet, bundesweit sind es 200.000.
Auch das Thema Finanzen spielte bei dem Workshop eine Rolle: Die Kirchensteuer
hält Beckstein für unerlässlich. Ohne die Kirchensteuer würden die
Volkskirchen zusammenbrechen. Alternative Finanzierungsmodelle, beispielsweise
Spenden wie in den USA oder eine Kultursteuer wie in Italien, halte er
für problematisch. Zum einen müssten die Kirchen in diesen Ländern erheblich
in Werbung investieren, zum anderen brauche es für die Pfarrerbesoldung in
Deutschland stabile finanzielle Ressourcen.
Dagegen befürwortet Beckstein Änderungen bei den Staatsleistungen an die
Kirchen. Kaum jemand in der Bevölkerung unterstütze es, dass Bischofsgehälter
vom Staat bezahlt werden, nannte er ein Beispiel. Sinnvoller wäre es dagegen,
wenn sich der Staat stattdessen an der Baulast für Kirchengebäude beteiligt.
Denn selbst konfessionslose Menschen wollten, dass Kirchen erhalten werden.
Sie gehörten für sie zum Ortsbild und zu ihrer kulturellen Identität dazu. Seinen
Vorschlag zu den Staatsleistungen hätten die Kirchen aber einst abgelehnt,
bedauerte Beckstein. Die Kirchen erhalten pro Jahr rund 460 Millionen Euro
an Staatsleistungen, die bayerische evangelische Landeskirche allein etwa 22
Millionen Euro.
Aus: epd Nachrichten, Landesdienst Bayern Mobil
Nr. 194 vom 11. 10. 2014
“Mitten in diesem schauerlichen Areal ein ausgesparter Ort” – Helmut Strifflers Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau
Ort:Alte Rönerstraße 75, Dachau
Der Architekt Helmut Striffler (geboren 1927) spürte schon nach der ersten Begehung des ehemaligen KZ-Geländes, dass eine evangelische Gedenkkirche hier “weit entfernt (sein musste) von allem, was normalerweise Kirche ist”. Seinen Entwurf, der 1964 zur Ausführung bestimmt wurde, versteht er als “Antwort, ein(en) Gegenort zu all den Einrichtungen des Terrors … als eine bergende Furche gegen das unmenschliche Ausgesetzsein”. Der Workshop beginnt mit einem Stationenweg durch die KZ-Gedenkstätte, der über den trichterförmigen Treppenzugang hinab in die Versöhnungskirche führt. Dem intensiven Austausch über die eigenen Wahrnehmungen in Kleingruppen folgt eine Diskussion mit Helmut Striffler über sein Hauptwerk. Abschließend stellt Kai Kappel die katholischen und jüdischen Nachbarbauten vor.
- Pfarrer Dr. Björn Mensing, Dachau / Prof. Dr-Ing. E. h.Helmut Striffler, Architekt, Mannheim / Prof. Dr. Kai Kappel, Humboldt-Universität Berlin
Mit dem Architekten Helmut Striffler verstarb am 2. Februar 2015 in Mannheim einer der letzten großenKirchenbaumeister. Er gehörte zu einer Generation, die noch aus einer Fülle von Auftragsmöglichkeiten schöpfen konnte.
Striffler wurde 1927 in Ludwigshafen geboren. Er studierte an der TH Karlsruhe unter anderen bei Egon Eiermann, in dessen Büro er später eintratund mit dem er 1952 die Matthäuskirche Pforzheim baute. Es wurde daraus ein richtungsweisender Kirchenbau der Nachkriegsmoderne .
Seit 1956 hatte Helmut Striffler ein eigenes Büro. Weitere beispielhafte Bauten, vor allem in der Kirchenarchitektur folgten. Die Trinitatiskirche Mannheim, die Jonakirche in Mannheim-Blumenau, die Versöhnungskirche in Mannheim-Rheinau, um nur einige besonders „strifflereske“ Gebäude zu nennen. Als Hochschullehrer war er bis 1992 in Hannover und Darmstadt für Entwerfen und Gebäudekunst zuständig.
Ein zeitloses Monument hat er mit der Versöhnungskirche auf dem Gelände des Konzentrations-lagers in Dachau hinterlassen (1964-67). Hier gehen Bauformen so in Kunstform über, dass sich ein symbolischer Mehrwert ergibt, der ein eindringliches Gedenken ermöglicht. Dass sich dieses nicht didaktisierend fassen lässt, sondern im Begehen und Erleben seine Wirkung entfalten sollte, war die Intention.
Helmut Striffler war lange Jahre Mitglied im Kuratorium des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, ebenso im Arbeitsausschuss des Ev. Kirchbautages und im Redakteurskreis der Zeitschrift „Kunst und Kirche“. Anregende und provokante Formulierungen vor dem Hintergrund seiner architektonischen Kennerschaft machten ihn zu einem beliebten Juryvorsitzenden bei Architekturwettbewerben.
Claudia Breinl
Religiöse Vielfalt in der Stadt München – Aktuelle Bauten und Projekte (Workshop 10)
Ort: Evangelische Stadtakademie, Herzog-Wilhelm-Straße 24, München
(U 1,2,3,6 und Tram 16,17,18,27 Sendlinger Tor, Alle S-Bahnen Karlsplatz)
Längst sind unsere Städte religiös plural geworden. In München leben laut Statistik inzwischen mehr Nichtchristen als Christen. Das bedeutet nicht, dass Religion unwichtiger geworden ist. Im Gegenteil. Mit welchen Räumen antworten Städte auf diese veränderte Situation? Auf der einen Seite entstehen multireligiöse Räumen, die eine gewisse Neutralität signalisieren und viele Religionen beheimaten können, auf der anderen Seite neue Zentren einzelner Religionen, die aber ihrerseits Begegnungszentren für die gesamte Stadtgesellschaft werden können.
Für öffentliche Orte – wie Parlamente, Universitäten, Flughäfen und Kliniken – hat sich weitgehend das Modell neutraler interreligiöser Räume der Stille durchgesetzt. Einen Schritt weiter geht das ambitionierte Projekt des Bet- und Lehrhauses Petriplatz in Berlin: auf dem Grundriss einer alten Stadtkirche sollen Sakralräume für drei Religionen und ein gemeinsamer Raum der Begegnung entstehen. Aber auch neue repräsentative Zentren für Juden und Muslime sind gebaut oder in Planung. Mit dem Jüdischen Zentrum am Jakobsplatz in München ist ein würdiges Ensemble und zugleich ein hochwertiger Stadtplatz entstanden. Für die große muslimische Bevölkerung allerdings fehlt bislang ein ähnlich repräsentatives Gebäude, das die Beheimatung in der Stadt zu erkennen gibt. Pläne gibt es allerdings durchaus und sie sollen auch vorgestellt werden. Mit…
- Prof. Wilfried Kuehn, Kuehn Malvezzi Architekten, Berlin
- Dr. Rena Wandel-Hoefer, Saarbrücken
- Alen Jasarevic, Architekt, Augsburg
- Jutta Höcht-Stöhr, Evang. Stadtakademie München / Dr. Peter Noss, Ruhr-Universiät Bochum, mit den Architekten Prof. Wilfried Kuehn, Berlin / Dr. Rena Wandel.Hoefer, Saarbrücken / Alen Jasarevic, Augsburg
Vier Impulse bildeten die Diskussionsgrundlage zum Thema der vielfältigen Präsenz der Religionen im städtischen Raum.
Gemeinsam mit den Theologen Gregor Hoberg und Roland Stolte erläuterte die Architektin Anna Naumann das ambitionierte Projekt „Haus der Drei Religionen“ am Platz der ehemaligen Petri-Kirche in Berlin-Mitte.
Der Sieger des Architekturwettbewerbs (Kuehn-Malvezzi Architects, Berlin) hatte mit seinem räumlichen Konzept überzeugt: Juden, Christen und Muslime wollen an diesem zentralen, städtischen Ort gemeinsam Präsenz zeigen. Jeweils drei geistlich-spirituell zu füllende Räume korrespondieren mit einem zentralen Ort der Begegnung in der Mitte des geplanten „House of One“. Die Arbeit am räumlichen Konzept ist mit der Entwicklung eines inhaltlichen Programms verwoben und als ein Prozess zu verstehen, der über die Fertigstellung des Hauses hinausweist. Ein paritätisch besetzter Verein wurde gegründet. Noch sind längst nicht alle Fragen auf diesem Weg beantwortet, wie die Diskussion im Anschluss zeigte. Es wurde ein (internationales) Finanzierungskonzept entwickelt, bisher sind 0,16 % der veranschlagten Bausumme von 43,5 Millionen Euro eingeworben worden. Experten unterschiedlicher Richtungen werden zu Rate gezogen, auch andere Konfessionen und Religionen sind im Blick.
Peter Noss weitete den Blick auf das Spektrum vielfältiger Konzepte und Umsetzungen im Feld der multi- und interreligiösen Räume: Was sind die Anlässe, was die Ideen und Kontexte für die verschiedenen Spielarten eines Phänomens vor dem Hintergrund einer Pluralisierung der Religionen und der Individualisierung des Religiösen? Entsprechende Räume finden sich u.a. an Universitäten und in Krankenhäusern, an Flughäfen und in Landschaftsparks, auf Friedhöfen und in ehemaligen Kirchengebäuden. Häufig sind die Initiatoren solcher Projekte die katholische und die evangelische Kirche. Sehr oft aber fehlen nach der Fertigstellung die Konzepte für eine dauerhafte Nutzung. Konflikte sind so vorprogrammiert. Der Faktor der „Macht“ (M. Schroer) ist nicht zu unterschätzen. Es scheint mehr denn je notwendig zu sein, sich über Kriterien zur Umsetzung zu verständigen.
Die Architektin Rena Wandel-Hoefer, inzwischen Baudezernentin in Saarbrücken, stellte das von ihr mitentwickelte Projekt „Synagoge am Jakobsplatz“ in München vor. Zwanzig Jahre habe es von der ersten Idee der Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, bis zur Realisierung gebraucht. Es gab gegen das Projekt sowohl erheblichen Widerstand als auch eine breite Unterstützung in der Stadtgesellschaft. Die Realisierung an einem zentralen und öffentlich gut zugänglichen Platz war verbunden mit dem Anspruch, sich nicht zu verstecken, sondern offen zu sein für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, für Kinder und Jugendliche anderer Religionen im Bereich der integrierten KiTa und Ganztagsschule. Ein Museumsgebäude lädt Interessierte zum Besuch ein. Zugleich musste ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt werden, ein großer Teil der Gebäudefläche liegt unter dem autofreien Platz. Das Projekt ist wegweisend auch für andere Städte vorbildhaft.
Benjamin Idriz ist Imam in der Muslimischen Gemeinde in Penzberg und Initiator des Münchener Forums für Islam, das sich noch in der Phase der Vorplanung befindet. Die internationale Großwetterlage ist für die Umsetzung des Konzeptes (Moschee, Akademie, Gemeindehaus), das ein Vertreter des Architekturbüros Jasarevic Architekten (Augsburg) erläuterte, an einem möglichst zentralen Platz in der Stadt nicht günstig. Bereits versprochene Grundstücke stehen nun doch nicht mehr zur Verfügung, obwohl ein Geldgeber schon bereitgestanden hatte. In der Diskussion wurde deutlich, dass Projekte dieser Art, zumal wenn sie einen Pilotcharakter haben, einen langen Atem brauchen.
Zusammenfassung: Die Bedingungen und Möglichkeiten sind für die Präsenz der Konfessionen und Religionen im städtischen Raum sehr unterschiedlich, je nachdem in welchem Zusammenhang sie entstehen.Entsprechend sind die Konzepte für mono-, multi- oder interreligiöse Räume zu entwickeln und zu bewerten. Politische und gesellschaftliche Faktoren spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Geschichte einer Stadt. Der Austausch über Planungen und Konzepte zu inter- und multireligiösen Räumen muss weiter intensiviert werden. Die Präsenz und das Zusammenwirken von Religionsgemeinschaften und ihren Vertreterinnen und Vertreter werden für die (Stadt-)Gesellschaften von heute und morgen immer wichtiger.
Jutta Höcht-Stöhr, Peter Noss
Links:
http://house-of-one.org/de
http://www.kirchbautag.de/kirchbauinstitut/tagungen-und-workshops/viele-religionen-ein-raum/tagungsbericht.html
http://www.juedischeszentrumjakobsplatz.de/
http://www.islam-muenchen.de/
Ökumenische Zentren in Bayern
Ort: Olympiakirche, Helene-Mayer.Ring 25, München
Die Olympiade 1972 brachte der Stadt München nicht nur die weltbekannten Zeltdachbauten von Behnisch und Partner. Im Ensemble des Olympiaparks entstand für das olympische Dorf zum ersten Mal in Bayern unter einem gemeinsamen Dach ein ökumenisches Kirchenzentrum (Architektengemeinschaft Christ und Karg, München). Das Gesamtkunstwerk „Frieden Christi“ und „Evang.-Luth. Olympiakirche“, das von Städtebau über Architektur und liturgische Ausstattung bis hin zur medialen Präsenz durch Signets und Leitfarben die Stimmung des gemeinsamen Aufbruchs wiedergibt, steht seit 2001 unter Denkmalschutz. 40 Jahre nach der Weihe für den kirchengemeindlichen Betrieb soll an dieser Stelle den Fragen nachgegangen werden: Braucht Ökumene gemeinsame Räume? Schaffen gemeinsame Räume Ökumene?
- Hans-Jürgen Dennemark, Erzbischöfliches Ordinariat, München / Christof Illig, Landeskirchliches Baureferat München
Räume der Stille – Tag&NachtRaum
Ort: Krankenhauskapelle, Sanatoriumsplatz 2, München
Der Bildhauer Werner Mally, der den eindrucksvollen Tag&NachtRaum gestaltet hat, wird diesen Workshop leiten. Er wird über seine Ideen zur Konzeption, die Realisierung und schließlich die Rezeption des Raumes erzählen und so mit den BesucherInnen ins Gespräch kommen. Zuvor besteht die Gelegenheit, den Raum auf sich wirken zu lassen und ihn zu erkunden.
Dieser Raum provoziert Fragen nach dem religiösen Erleben. Welche Erfahrungen eröffnet der Tag&Nachtraum, der ein Element in dem großen Baukomplex Krankenhaus ist? Was bedeutet, was bewirkt seine Gestaltung, die sich von vielen traditionellen Kirchenräumen unterscheidet?
In diesem Workshop wird in einem Teil die Krankenhaus-Kapelle bespielt, indem die TeilnehmerInnen den Raum zunächst leer erfahren und ihn danach mit der variablen Ausstattung bestücken – und dabei die Wirkung der einzelnen Teile im Raum erkunden. Und immer wieder variieren.
Im anderen Teil (und Raum) wird Werner Mally Entwürfe anderer Arbeiten von sich vorstellen und zum Ausprobieren verschiedener Konstellationen anhand der Modelle animieren.
Die Teilnehmerzahl ist auf insgesamt 12 Personen beschränkt. Die zwei Gruppen zu sechs Personen werden im Wechsel beide Teile des Workshops besuchen.
- Franziska Stoellger, Pastorin, Winsen/Luhe / Werner Mally, Künstler, München/ Tanja Reger, Pfarrerin, München
Fragliches und Fragmentarisches
Krankenhaus-Kapelle Harlaching von Werner Mally
Die Idee dieses Workshops war, die Krankenhaus-Kapelle am eigenen Leib zu erfahren. Dazu wurde sie ganz leer geräumt, so dass der hell gelbe und tief blaue Raum unmittelbar wirkten. Dann wurde die Kapelle von den Teilnehmern des Workshops neu eingeräumt. – Wo ist mein Platz? Im Dunkeln? Im Hellen? Und wie stelle ichmir meine Reaktion als Patientin vor?
Und immer wieder die Frage: wie überwinde ich die Grenze? Wie setze ich beide Räume in Beziehung?
Die Hocker wurden herein geholt. Im Raum verteilt. Wurden zur Brücke über die Grenze von hell und dunkel. Zum Turm. Zum Kreuz.
Danach kam der Altar, der sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Im Ineinander ist es ein ausgehöhlter Baumstamm; wie ein Brunnen. Nimmt man beide Teile einzeln, sind es selbständige Skulpturen. Offen oder verschlossen. Helligkeit im Dunkel. Beziehung zwischen hell und dunkel.
Schließlich die Frage, wie wird dieser bespielte Raum zurück gelassen, für die einzelnen Besucher, für die Gottesdienst-Gemeinde? Der Altar wird zusammengesetzt, aber nicht ineinander geschoben. Auch wird er nicht mehr unter das Kreuz des Lichtbandes platziert.
Die Kerzen-Tonne findet ihren Platz in der dunkelsten Ecke. Die Hocker werden ringsum verteilt.
Bis die nächsten Besucher beginnen, sich ihren Platz zu suchen.
Franziska Stoellger
Religiöse Zeichen im öffentlichen Raum
Ort: Hochschule München, Fakultät für Fotografie und Design, Lothstraße 34. München
Das größte, bekannteste und dauerhafteste religiöse Zeichen im öffentlichen Raum einer Stadt oder eines Dorfes ist in Europa seit Alters her das Kirchengebäude. Doch besitzen die Kirchen schon lange kein Monopol mehr. Andere Gebäude und Gebilde können inzwischen religiöse Zeichenhaftigkeit annehmen. Auch hat der öffentliche Raum längst neue Dimensionen angenommen und die Grenzen ins Virtuelle überschritten. Der Workshop – hier ist eine Kooperation mit Professor Michael Gutmann von der Münchner Filmhochschule angefragt – macht sich auf die Suche nach alten und neuen religiösen Zeichen in alten und neuen – real oder virtuell – öffentlichen Räumen und stellt dabei die Frage, wie sie aufeinander zu beziehen sind.
- Propst Dr. Johann H. Claussen, Präsident des Kirchbautags, Hamburg / Prof. Dr. Michael Gutmann, Hochschule für Fernsehen und Film München
Zentralräume – Modell für den protestantischen Kirchenbau !?
Ort: Segenskirche, Haidstraße 5, Holzkirchen
Die Evang.-Luth. Kirche in Bayern hat in den letzten Jahrzehnten mit der Architektur und der liturgischen Anordnung bei fast allen ihrer Neubauten überschaubare, zentral orientierte Gottesdiensträume errichtet. Spätestens seit Theodor Fischer in konsequenter Umsetzung eine bereits in der frühen Reformation theologisch begründete und von Emil Sulze im 19. Jh. profilierte Idee in der Waldkirche in Planegg 1926 wieder aufgegriffen hat, bildet diese Gestaltung landeskirchlich eine maßgebliche Bauform. Dennoch kann sie durchaus auch kontrovers beurteilt werden. Der Workshop diskutiert an einem wichtigen neuen Beispiel die Begründung und die Funktionalität dieser Raumkonzeption.
- Prof. Dr. Klaus Raschzok, Augustana-Hochschule, Neudettelsau / Kirchenrat Reinhard Lambert Auer M.A., Kunstbeauftragter Evang. Landeskirchein Württemberg, Stuttgart
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Zentralräume – Modell für den protestantischen Kirchenbau!?
Segenskirche Holzkirchen
(die Angaben zu den Personen und der Ausschreibungstext wie im Programmheft S.108 ausgedruckt ist hier als inder Dokumentation dem Bericht voranstehende Einleitung vorausgesetzt. Die dort kurz erläuterten Inhalte und die Intention der Workshops werden nachfolgend nicht wiederholt)
Am Beginn standen – nach ersten individuell gesammelten Eindrücken und Wahrnehmungen des Kirchengebäudes außen und innen – zwei Impulsreferaten: zunächst mit dem Focus auf die Entwicklungen der jüngeren Zeit und die Perspektiven des Kirchenbaus in der Bayrischen Landeskirche (Raschzok), anschließend ein knapper historischer Rückblick auf diespezifisch protestantische Idee zentralisierter Raumordnungen für den Gottesdienst (Auer).
Nachfolgend war Gelegenheit – auch aus den Erläuterungen und im Austausch mit Pfarrer und Mitgliedern der Gemeinde – das Gebäude, den Gottesdienstraum und die angegliederten Funktionsräume in ihren Möglichkeiten für das liturgische Feier, sowie für andere Veranstaltungen und gemeindliche Aktivitäten, nochmals eingehend in Augenschein zu nehmen und zu diskutieren. Besonders eindrücklich wurde das Gespräch durch die Anwesenheit von Architekt Franz Lichtblau, der den Kirchenneubau 1991 projektiert und die weitere Entstehung bis zur Einweihung 1998 begleitet hatte.
Deutlich wurde dabei, dass die in den letzten Jahrzehnten in der bayrischen Landeskirche umgesetzten zentralisierenden Grundrisse und Raumkonzepte nicht allein durch eine theologisch begründete Programmatik, sondern ebenso durch sehr einschränkende Vorgaben hinsichtlich der Größe und des Platzangebotes bei den sog. „Kleinkirchen“ bedingt waren. Wie sich die Teilnehmenden vor Ort überzeugen konnten, hat Lichtblau für Holzkirchen mit dem Einbau der Emporen über den Seitenräumen eine gestalterisch und funktional sehr überzeugende Lösung in dem eng gesteckten Rahmen zur Realisierung gebracht.
Mit großem Interesse, intensiver Gesprächsbeteiligung und viel positiver Resonanz wurde dieses Workshopangebot aufgenommen.