St. Trinitatis Leipzig

von Thomas Erne

Mitten in der Stadt – Neubau der katholischen St. Trinitatis Propsteikirche in Leipzig

Neue Kirchen werden kaum noch gebaut. Die katholische St. Trinitatis Kirche im Zentrum von Leipzig, der größte katholische Kirchenneubau nach der Wende, wird eine der wenigen Ausnahmen sein, ausgerechnet im Osten, in einer Stadt, wo der Anteil der Christen an der Stadtbevölkerung bei 20% liegt. 5% davon sind Katholiken. Doch die Trinitatis Gemeinde wächst gegen den Trend. Die Stadt ist attraktiv. Der Alterdurchschnitt der Katholiken liegt unter 40 Jahren  und die Gemeinde hat ein einladendes Konzept. Außerdem wollen die Katholiken wieder zurück ins Zentrum der Stadt. Da, wo sie schon einmal waren bis ihre im Krieg beschädigte Kirche 1954 von der SED-Regierung gesprengt wurde und man die Gemeinde aus der Stadt an den Rand drängte. Es soll eine Kirche an prominenter Stelle werden, am Martin-Luther Ring direkt gegenüber dem Rathaus. Eine Kirche für das dritte Jahrtausend, die sich mit ihrem Thema allen Bürgern öffnet, prägnant und einladend zugleich, ökologisch einwandfrei, mit freien Zugängen und Durchgängen zur Stadt, Orten zum Verweilen, Gemeinderäumen und einer Kirche, die nicht  nur zitiert, was an anderen Orten bereits gebaut wurde.

Ein Neubau an dieser Stelle und vor diesem Hintergrund muss architektonisch und spirituell ein Zeichen setzen. Da der Wettbewerb in Leipzig abgeschlossen ist, kann man an den Entwürfen in ersten Umrissen ablesen, wie prominente Architekturbüros die Aufgabe lösen eine Kirche für das 21. Jahrhundert zu bauen. Von der Jury wurden drei Büros ausgezeichnet. Der 1. Preis ging an den Entwurf von Schulz und Schulz, Leipzig, der 2. Preis an Allmann, Sattler, Wappner, München und der 3. Preis an das Büro Meck, München. Zwei weitere Anerkennungspreise bekamen Code Unique, Dresden und Königs Architekten, Köln.

meck architekten entwerfen einen wuchtigen Baukörper von 47 Meter Höhe, der wie ein riesiger Lichtschacht über dem Altar aufragt und ihn mit Licht von oben überflutet, während das Schiff in Teilen im Dunklen liegt. Der Baukörper zeigt sich nach Außen abweisend, ohne Ein- und Ausblicke. Die Grundidee ist ein räumliches Symbol zu schaffen für den Einbruch der Transzendenz in die Immanenz. Vor den Augen der Gemeinde, die sich in einem gerichteten fensterlosenRaum versammelt, fallen von oben gewaltigen Lichtmassen auf den Altar. In der Konzentration auf die objektive Vertikalbewegung – die Gemeinde empfängt, was das Licht am Altar und im Priester bewirkt – wird die Gemeinde, unbescheiden gesagt auch die Stadt Leipzig, geistlich zentriert. Das wird durch die abweisende Geste des Lichtschachtes nach Außen getragen. Die Außenhaut in schwarzem Klinker, auf der wie ein Lichtfänger ein gläserner Aufsatz sitzt, lässt e contrario erahnen, was sich im Innern ereignet. Auch ohne Kirchenturm ist der Baukörper als Kirche erkennbar. Die Kirche braucht keinen Turm, weil sie ein Turm ist, der sich der Welt verschließt, um sich dem Himmel zu öffnen.

Allman, Sattler, Wappner Architekten schlagen dagegen die Quadratur des Kreises vor, eine St. Trinitas Rotonda. Um das parabolische Zentrum des Gebäudes legt sich  ein quadratischer Baukörper, in dessen Obergeschoß die Gemeinderäume untergebracht sind. Der zentrale Gottesdienstraum im Erdgeschoss ist von allen Seiten zugänglich. Die Grundidee ist Transparenz, weniger Transzendenz. Die Gemeinde, die sich um ihr Zentrum versammelt, tut dies öffentlich und vor allen Augen. Transparent wird so zweierlei: Im Zentrum des Gottesdienstes werden die Elemente, Brot und Wein, transparent für das göttliche Geheimnis und nach Außen, für die Passanten, Suchende, Fragende, wird es die Gemeinde.

Der Siegerentwurf von schulz&schulz architekten verbindet und optimiert beide Qualitäten: Konzentration und Transparenz. Der Kirchenraum ist gegen den Verkehrslärm abgeschlossen. Das Licht kommt ebenfalls durch ein hohes Oberlicht. Die Gemeinde, die sich im Halbkreis um den weiten Altarraum versammelt, wird ins Zentrum des Gottesdienstes gerückt. Aber an der Straßenseite führt der überstehende Chor die Passanten wie an einem Schaufenster entlang zum Eingang im Innenhof, der Gemeindehaus und Kirche verbindet. Die Hermetik des Bauköpers dient so zugleich seiner Erschließung. Bemerkenswert an dieser  Hinführung in die Kirche sind die gestuften Formen der Annäherung und Distanz, die einladender sind als ein Konzept radikaler Transparenz.

Blickt man auf die drei Siegerentwürfe, dann wird die katholische Kirche im 21. Jahrhundert erstaunlich demokratisch sein, jedenfalls in Leipzig. Die Entwürfe bauen Kirchen für eine Gemeinde, die ihre zentrale Handlung, das Abendmahl, in einer Art von offener Tischgemeinschaft feiert. Das lässt sich an der räumlichen Organisation des Innenraumes ablesen, der das Selbstverständnis des Auftraggebers architektonisch formuliert. Es sind zentral gefasste Räume, in denen die Gemeinde, cirumstantes, gleichberechtigt um eine Mitte versammelt ist. Räume, in denen die Unterscheidung von Klerus und Laien keinen, jedenfalls keinen dominanten räumlichen Ausdruck mehr finden. Mit einer solchen egalitären Sozialform knüpft die Trinitatisgemeinde an das paulinische Gemeindekonzept an – und an die Erneuerung dieser Idee einer Gemeinschaft von Gleichen in der Reformation.
Und die katholische Kirche wird im 21. Jahrhundert, jedenfalls in Leipzig, von hoher Qualität sein. Es sind innovative  Entwürfe, die im Wettbewerb prämiert wurden. Prägnante Neuformulierungen von Kirche im 21. Jahrhundert, die neugierig machen und der Trinitatisgemeinde städtebaulich eine hohe Aufmerksamkeit verschaffen werden. Auch die Sorgfalt der Gestaltung und der gewählten Materialien – der Siegerentwurf wird die Fassade in Rochlitzer Porphyr ausführen – sind ein Zeichen. Nach Krieg, Zerstörung und Marginalisierung ist die katholische Kirche in Leipzig wieder im Zentrum angekommen. Und da will sie auch bleiben.

http://www.kirchbautag.de
(c) Thomas Erne