Restaurant, Konzerthaus, Grabesstätte – wenn der Sakralbau zum weltlichen Gebäudewird
Kneipe oder letzte Ruhestätte, Konzertsaal, Hotel oder kulturelles Begegnungszentrum – was soll aus einer Kirche werden, die nicht mehr als Gotteshaus genutzt werden kann? Vor dieser Entscheidung steht die evangelische Elias-Gemeinde in Dortmund-Dorstfeld. Drei denkmalswerte Kirchen und sechs Gemeindehäuser nennt sie ihr Eigen – zuviel in einer Zeit, in der immer weniger Gläubige den Weg in die Gottesdienste finden.
„Die oberste Priorität ist, diese wunderbare Kirche zu erhalten“, sagt Pfarrer Christian Höfener-Wolf über den denkmalgeschützten Sakralbau in Dorstfeld. Dennoch: Diese Kirche wird wohl verkauft. Der rote Ziegelbau aus dem Jahr 1905 ist zu groß. Schon jetzt sind Gottesdienste nur im Sommer möglich. Heizen wäre einfach zu teuer – von größeren Reparaturen in der Zukunft ganz zu schweigen.
Presbyterium, Gemeindeglieder, Vertreter der Dorstfelder Vereine – sie alle sollen im Idealfall mitdiskutieren, Ideen einbringen, Wege finden. Über eine öffentliche Sitzung und einen internen Workshop mit dem Marburger Theologen Matthias Ludwig will die Kirchengemeinde zum Ziel kommen. Die entscheidende Frage: Welche Nutzungen sind denkbar? Der dazugehörige Wunsch: Wie kann die Gemeinde auch weiterhin die Kirche nutzen – und sei es nur als Gast?
In Deutschland werden bereits einige Kirchengebäude anders genutzt, zum Beispiel als Galerien oder Bibliotheken, Museen oder Jugendkirchen. Der Wuppertaler Immanuelskirche etwa kamen Orgel und Akustik zugute. Bereits vor 25 Jahren ging sie in den Besitz eines Trägervereins über und wurde zur Konzertkirche. Felix Mendelssohn-Bartholdy erklingt dort ebenso wie Gospel; 600 Zuhörer haben Platz. Der WDR nimmt dort regelmäßig in Studioqualität klassische und meist geistliche Musik auf. Auch die Dorstfelder Kirche verfügt über eine gute Orgel. Allerdings ist sie für diese Nutzung eigentlich zu groß. „Außerdem gibt es in Dortmund und Umgebung schon genug Konzertstätten“, schätzt Christian Höfener-Wolf. „Die Konkurrenz wäre zu groß.“
„Glückundseligkeit“ lautet der neue Name der Bielefelder Martini-Kirche. Gastronom Achim Fiolka kaufte das überholungsbedürftige Gotteshaus 2003 von der evangelischen Kirchengemeinde für einen symbolischen Euro. Er investierte 2,5 Millionen Euro, zog Glaswände ein und fügte einen Anbau für Küche und Personal an. Der Charakter der Kirche blieb weitgehend erhalten – auch wenn Martini heute nicht mehr verehrt, sondern ausgeschenkt wird. Tische und Stühle,ein eigener Lounge-Bereich – das alles findet heute in Haupt- und Nebenschiff seinen Platz. Bisher geht das Konzept auf – und reizt somit auch die Dortmunder, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Das Problem allerdings auch hier: die Größe des Dorstfelder Baus. Zudem: Die Bielefelder Gemeinde kann ihre ehemalige Kirche nicht mehr mitnutzen, höchstens buchen wie jeder andere Kunde auch.
Im ländlichen Dortmunder Nordwesten soll ein weiteres Kirchengebäude anders genutzt werden. Ein Ort der Begegnung soll es werden. „Wir lassen die Kirche im Dorf“, lautet das Motto eines Fördervereins in Dortmund-Deusen. Durch gesellschaftliches Engagement soll die evangelische Kirche erhalten und ausgebaut werden. „Wir haben viele junge Leute vor Ort, die sich engagieren“, sagt Vereinsvorsitzender Ulrich Küpper, der nach eigenen Angaben vorher keinen Bezug zur evangelischen Kirche hatte. Aber er will einem Abwärtstrend entgegensteuern: Post- und Sparkassen-Filialen, Kneipen, Restaurants und Geschäfte zur Grundversorgung – all das ist Deusen abhanden gekommen. Das Begegnungszentrum in der alten Kirche soll ein neuer Ort werden, an dem sich die Bewohner treffen – auch mit einer kleinen Gastronomie. Das Land NRW fördert das Projekt voraussichtlich mit 300 000Euro; auch die Stadtwerke und andere Sponsoren haben Geld zugesagt. Grundlegend bleibe aber das Engagement, so Ulrich Küpper: „Da wird nicht viel Geld verdient.“ Auf eine große Kirche wie Dorstfeld, schätzt Küpper, lasse sich das Konzept aber nicht übertragen.
Eine stilvolle letzte Ruhestätte ist in St. Josef entstanden, einer riesigen katholischen Kirche in Aachen. „Allein der Abriss hätte fünf Millionen Euro gekostet“, erläutert Gemeindemitglied Frank Kress. Also wurde das Gotteshaus zur Grabeskirche. Wasser fließt von einem Brunnen in gerader Linie bis zum Taufbecken; der Boden ist wie auf Friedhöfen mit Kies bedeckt. Nach und nach entstehen Steinstelen, in denen Urnen Platz finden. Sie alle sind ausgerichtet auf den Altarraum, wo Platz für 100 Trauernde ist. St. Josef hat seine kennzeichnenden Kirchenelemente behalten, ist aber erkennbar ein Ort des Gedenkens. Problematisch war indes die Finanzierung. Noch bevor der Umbau der Kirche begann, verkaufte die Gemeinde die ersten Urnenplätze, um überhaupt Geld für die Maßnahmen zu haben.
„Die Möglichkeit Grabeskirche haben wir nicht sofort verworfen“, sagt der Elias-Pfarrer Christian Höfener-Wolf. Auch die Einrichtung eine Jugendkirche, in der Mädchen und Jungen fernab der üblichen liturgischen Vorgaben zum Gottesdienst zusammenkommen können, sei eine Überlegung wert. „Aber das ist noch ein offener, langer Prozess.“ Welche Idee für die Dorstfelder Kirche geeignet sein konnte, soll beim Evangelischen Kirchbautag weiter diskutiert werden. Am Freitag, 24. Oktober, geht es von 15 bis 18 Uhr vor Ort um diesen Sakralbau und um vier weitere Gemeinden: um St. Nicolai, das Schalom-Gemeindezentrum Scharnhorst, die Kirchengemeinde Hörde und das Lutherzentrum in der Nordstadt. Die Teilnehmer des Kirchbautags sollen die Transformationsprozesse bei Exkursionen kennen lernen und in offenen Foren begleiten und eigene Erfahrungen in die Diskussion einbringen. Teilnehmen kann jeder Interessierte.
Fotonachweise:
DorstfelderKirche.jpg: Baureferat der EKvW, Althöfer
GlückundSeeligkeit.jpg: GlückundSeeligkeit, Living Event GmbH
GrabeskircheAachen.jpg: Grabeskirche Aachen