Künstler des Monats – Michael Volkmer

Geschätzte Lesedauer 3 Minuten

Der Eindringling

Der Künstler Michael Volkmer hat einen dreidimensionalen schwarzen Quader zwischen den Kirchenbänken der Marburger Universitätskirche platziert. Ein Holzgestell, akkurat gebaut und paßgenau mit schwarzem Moltontuch überzogen. Es ist kein Zugang vorgesehen.Das Objekt ist deutlich aus der zentralen Achse der Raumordnung verschoben, es stellt sich sozusagen quer und steht als stummes Statement in einem Kirchenraum, der ansonsten von Symbolik bestimmt wird: Die Botschaft vom Licht, das in die Finsternis scheint äußert sich in der Kirchenraumgestaltung  der Michaelsbruderschaft der 20er Jahre überdeutlich.

Michael Volkmer hat sich an diesem Ort einerseits mit dem Thema Licht und Dunkelheit beschäftigt, andererseits eine Antwort auf die Charakteristik des architektonischen Raumes gesucht. Hermetisch wirkt der schwarz bespannte Würfel  im Kirchenschiff. Er erlaubt keine inhaltliche Spekulation. Er ist wie eine Frage, die ohne Antwort bleiben wird. Er ist wie kirchliche Symbolik, deren Sprache heute kaum noch einer versteht oder innerlich nachvollziehen kann.

Man ist zwar überrascht,  wenn man auf die Empore steigt und von oben auf den Würfel hinunter blickt. Orientalischer Ornamentik oder gotischen Fenstermaßwerk vergleichbar bilden polierte und lackierte Radzierkappen das Dach des Quaders, durch deren Perforierungen ein kaltes fremdes Licht strahlt. Doch eine Lösung des Rätsels ist auch das nicht…das Ding bleibt ein Störenfried.

Volkmer hat schon in einigen Kirchen dazu verholfen, ihre spezielle gewollte oder ungewollte Charakteristik zu erkennen und deren Bedeutung zu befragen, so in der KunstKulturKirche Allerheiligen, Frankfurt, der CityKirche Konkordien Mannheim, der Peterskirche Grünstadt Sausenheim.

Neben diesen Rauminterventionen arbeitet Michael Volkmer an plastischen Objekten. Es sind mehr oder weniger gezielt aufgefundene Dinge, die mit Akribie und technischen Know-How verwandelt werden und die man dann erst auf den zweiten Blick als  verfremdetes Alltagsdesign wiedererkennt. Man empfindet diese Objekte einerseits als selbstverständlich, ja übersieht sie fast durch ihre industrienahe Oberflächenbehandlung – und stößt sich dann daran: Wozu sollen diese Dinge gut sein, welchen Zweck sollen sie erfüllen?

Oberflächen spielen für die Deutung von Volkmers Arbeiten eine große Rolle,- ihre Optik und Haptik lassen Bereiche des Alltags assoziieren und führen doch im Widerspruch dazu  in eine Sphäre der Zweck- und Gedankenfreiheit. Die Werke verhalten sich  ambivalent. Ihre unaufgeregten Statements drängen sich nicht auf, – aber sie lassen sich auch nicht ignorieren. Als subversive Eindringlinge irritieren sie die Sehgewohnheiten und Deutungsroutine. Ihre Nachwirkung irritiert wie ein Sandkorn im Auge. Wer hätte schon vorher in den geschwungenen Bögen des „McDonalds-M“ ihre Verwendungsfähigkeit als Hoheitszeichen hinter einem Altar vermutet? (12-Apostel-Kirche Frankenthal, 2016) Volkmer führte dies in perfekter Durcharbeitung ohne Spott aber mit dezenter Ironie vor.

 

www.michael-volkmer.de

Text: Claudia Breinl

(siehe auch ZS “kunst und kirche” 1 2018, S. 52)

Fotos: Juergen Arne Klein, Stephan Brendgen, Eric Carstensen

©VG Bild Kunst 2018