MICHAEL RAEDECKER
In der Schwebe…die Kunst der Andeutung
Vielleicht ist es gerade das Schweigen und die Melancholie, die die Anziehungskraft von Raedeckers (geb. 1963) Bildern ausmachen. Wäsche, Kronleuchter, Pflanzen, Häuser -, Dinge des Alltäglichen werden bei ihm zu Erscheinungen und Traumsequenzen.Sie entfalten phantastische, auch spirituelle Eigenheiten. Die Vorliebe für Interieurs und Dinge der bürgerlichen Saturiertheit wie sie die alten Niederländer so gern als Memento Mori auf ihren Bildern sahen sind auch häufige Motive für den Holländer Michael Raedecker. Lasierende, flüchtig und oft wie geschüttet fließende Farbschlieren in verschmutzt wirkenden Farbtönen lassen das Abgebildete – unspektakuläre Landschaftsausschnitte, durchschnittliche Häuser, scheinbar willkürlich herangezoomte Erscheinungen aus der Natur – erscheinen wie aus der Zeit gefallen.
In den Bildern bewegt man sich auf unsicherem Terrain. Sie bestehen aus mehreren Ebenen, zwischen denen man hin- und herstreifen muss ohne einen Ruhepol zu finden. Trotzdem strahlen sie eine bleierne Schwere und Ereignislosigkeit aus. Es ist im Besonderen auch die räumliche Komponente, die einen vor den Bildern wie auch in den Bildern einsam in Leere und Ödnis stehen lässt. Oftscheint durch den hohen Horizont und die straffe Perspektive der Weg z.B. zu den Häusern unüberwindlich. Sie sind in den neueren Arbeiten immer wieder Thema. Das Haus gilt als Symbol für Heimat und Schutz, aber auch als Ausdruck der Persönlichkeit und Abbild der Psyche. Das Haus kommt bei Raedecker nicht als Hoffnungszeichen in Frage. Eher strahlt es Trostlosigkeit, klapprige Gesamkonstitution, Kälte und Leere aus. Man hat die Wahl zwischen zwei unwirtlichen Bereichen: einer stummen Natur oder einem verlassenen Haus.
Eine technische Besonderheit zeichnet alle Arbeiten des Künstlers aus: er kombiniert seine Malerei mit Handstickerei. In Passagen der Werke finden sich mit Faden verstärkte Konturen und Schraffuren. Das lenkt den Blick auf den Herstellungsprozess der Kunst ohne die suggestive Wirkung der Bildwelt zu stören. Es gelingt, das pastose Hervordringen der gestickten Partien als ein weiteres beunruhigendes und surreal verfremdendes Element in die Bildkompositionen zu integrieren.
Im Sprengel Museum Hannover sind noch bis zum 15. Juni 2014 vierzig Werke im Rahmen der Ausstellung „MICHAEL RAEDECKER. Tour“ zu sehen.
(Text: Claudia Breinl. Alle Abbildungen: Sprengel-Museum, Hannover)
Abb. 1: Michael Raedecker, ins and outs, 2000, Acryl und Faden auf Leinwand, 330 x 198 cm, G. Steinmeijer, Foto: Peter Cox, © Michael Raedecker
Abb. 2: Michael Raedecker, repeat, 2011, Acryl und Faden auf Leinwand, 226 x 200 cm, Caldic Collectie, Wassenaar (The Netherlands), Foto: FXP Photography, London, © Michael Raedecker
Abb. 3: Michael Raedecker, strip, 2012, Acryl und Faden auf Leinwand, 191 x 179,5 cm, Besitz des Künstlers und / Courtesy of the artist and, Hauser & Wirth Zürich London, Foto: Alex Delfanne, © Michael Raedecker
Abb. 4: Michael Raedecker, pretence, 2012, Acryl und Faden auf Leinwand,180 x 124 cm,The Mario Testino Collection, Foto: Alex Delfanne, © Michael Raedecker