Fotos: Klaus Lipa, Diedorf
LUTZENBERGER + LUTZENBERGER
Energie und Aura
Ein Kulminationspunkt von Energie und Aura ist der Altar in der St. Annenkirche in Augsburg. Im übertragenen Sinne kann das für jeden Altar gelten, zumal im liturgischen Vollzug…hier aber potenziert sich diese Fähigkeit des Altars, sodass sie auch wirksam ist, wenn keine gottesdienstlichen Handlungen vollzogen werden.
Man blickt in eine pulsierende Farbe von Rot, zwischen vielen Nuancen oszillierend vom Bräunlichen bis ins Orangerot, von Blut- zu Feuerrot. Leuchtend aus dem Inneren des Blocks, wirken die Farben weich und schmiegsam wie ein kostbarer Stoff. Diese Skulptur, die auch Altar ist, verbindet Nähe und Distanz in sich, so wie auch die Nutzung beides beinhaltet. Mit Wohlgefallen und Ehrfurcht will er berührt werden, denn auch bei der Berührung lässt sich die wohltuende Ausstrahlung des Werkstoffes Wachs erfahren. Immer schon ist es dem Menschen ein wertvolles Material und Bestandteil ritueller und religiöser Handlungen und Zeremonien. Als ob sich all diese historischen Bedeutungsschichten in diesem Block manifestierten und ihm innerlich Gewicht verleihen, zieht er die Konzentration auf sich. Ein Altar aus Wachs ist bislang eine Seltenheit, in dieser spannenden Einfärbung noch nicht vorgekommen.* Der Altar hat die Form eines gestreckten Kreuzes, was ihn einbindet in den christlichen Kirchenraum, ihm als freier Skulptur nicht von seiner Intensität nimmt. Auch der Ambo ist aus dem roten Wachs gegossen, in ähnlicher Form wie der Altar, aber als stehender Körper.
(*In den 90er Jahren schuf die Künstlerin Brigitte Trennhaus für Neuhartmannsdorf nahe Berlin einen Bienenwachsaltar).
Die Herstellung war kompliziert und gelang nicht auf Anhieb. Das Wachs wurde in großen Kesseln bis zur Flüssigkeit erhitzt, das rote Pigment eingemischt. Das gesamte Wachs wurde auf einmal gegossen. Beim Gießen kühlte das Wachs unterschiedlich schnell ab, in der Mitte am langsamsten, dort blieb es dunkler. Dadurch erklärt sich die changierende Rottönung. Die weiche Haut des Altars ist empfindlich für Kerben, Kratzer… sie wird bald Gebrauchsspuren tragen. Entweder man belässt sie als Lebens- und Gebrauchsspuren – oder man „heilt“ sie durch Erwärmung und Berührung auf handwerkliche Weise.
2012 war das Künstlerehepaar Lutzenberger + Lutzenberger mit ihrem Entwurf zu dem begrenzten Wettbewerb der St. Anna-Kirche angetreten, Abendmahlsaltar und Ambo neu zu gestalten; bis zu jenem Zeitpunkt feierte die Gemeinde an einem provisorischen Holztisch im Langhaus. Der bewährte Ort in der Mitte der Gemeinde wurde zur Aufstellung der neuen Prinzipalstücke beibehalten.
Bei der Ausschreibung des Wettbewerbs wurde die Mobilität des Altars und des Ambos gewünscht. Es wurde also eine Hebetechnik mittels eines aufblasbaren Luftkissens mit ausfahrbaren Rollen erdacht, damit der 500 Kilo schwere Altar bei Bedarf im Kirchenraum bewegt werden kann. Wie inhaltlich stimmig das zu diesem Altar ist, der in keiner Hinsicht ein praktisches Möbelstück sein will, wäre eine Überlegung wert. Die Kosten für den neuen Altar und den Ambo betrugen 50 000 Euro.
Für die Gestaltung des Altars und Ambos in der St. Annenkirche erhielt das Künstlerpaar Lutzenberger & Lutzenberger den Kunstpreis 2014 der Ev. Landeskirche Bayern. Aus der Begründung der Jury:
„Die St. Annakirche in Augsburg ist ein Kulturerbe von europäischem Rang. Der Entwurf Lutzenberger + Lutzenberger fügt sich stimmig in den historischen und inhaltlich komplex aufgeladenen Raum ein. Er führt innovativ in hoher Sensibilität im Raum Vorhandenes (Material, Oberflächen, Farbigkeit, Ornament) zusammen und behauptet sich als neues und wichtiges liturgisches Objekt aus dem 21. Jahrhundert. In den Proportionen, der geglückten Interaktion von Ambo und Altar, der Wärme und Verletzlichkeit des Materials teilt sich eine kraftvolle künstlerische Position der heutigen Zeit mit.“
Vorausgegangene kirchliche Gestaltungen von Lutzenberger + Lutzenberger zeigen, wie es für das handwerklich versierte Künstlerpaar immer auch um außergewöhnliche Materialien geht und einen sinnlichen Ansatz, diese Materialien im Raum atmosphärisch wirksam werden zu lassen.
Text: Claudia Breinl
©Ev.-Luth.Landeskirche in Bayern, Lutzenberger + Lutzenberger
www.lutzenberger-lutzenberger.de
Der Kunstpreis der Ev. Luth. Kirche in Bayern
Der Kunstpreis wurde 1980 vom Landeskirchenrat eingerichtet. Der Preis möchte würdigen, wo Kunst sich als dialogfähig im religiösen Kontext erweist und innovativ Ausdruck findet. Der Kunstpreis, ist offen für alle Sparten künstlerischen Schaffens und wird in der Regel alle zwei bis drei Jahre vergeben. Er ist gegenwärtig dotiert mit 5.000 Euro.