Künstler des Monats – BJÖRN DAHLEM

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BJÖRN DAHLEM

Theorien des Himmels

Physikalische Lehrmodelle in der Schule – wenn es zunächst enttäuschend war, sich in drei angemalten Kugeln Sonne, Mond und Erde vorzustellen, so vergaß man doch schnell die didaktische Reduktion und tauchte ein in die unendlichen Weiten des Weltraums.

Wie reich doch die Phantasie und Vorstellungskraft ist, die  einen von einem kargen Tischmodell in einem stickigen Physiksaal in den Weltraum, zu den Sternen und Planeten katapultiert.

Ähnliches kann man erleben mit den Installationen, Skulpturen und Assemblagen von Björn Dahlem (geb. 1974 in München, lebt in Berlin), deren gebastelte Erscheinung nicht zu den Welttheorien passen will, auf die deren Titel verweisen. Ohne auf wissenschaftliche Darstellungsweise und Genauigkeit Rücksicht nehmen zu wollen, entwickelt Dahlem Apparaturen und  Gebilde, die sich auf Kosmologie, Astronomie, Astrophysik oder Quantenmechanik beziehen. Er entführt in „ferne Welten“, wenn er in Glasvitrinen filigrane Kompositionen aus Holz, Draht, Glas, Licht und diversen Fundstücken aufstellt, deren Titel auch Religion und Philosophie streifen  oder wenn er einen ganzen Raum mit kristallinen Elementen aus Styropor, Neonröhren, Dachlatten in eine Wunderkammer verwandelt.

 

Die Benennung der Arbeiten ist Teil ihrer Wirkung: „Das Weltall“, „Schwarzes Loch“, Aus fernen Welten“, Himmelsglobus“, „Der Urknall“, „Kathedrale“.  Auch die Tür zum Transzendenten lässt sich bei Dahlems Kunst  öffnen. Von  augentäuschender Kostbarkeit erscheinen die in Glasvitrinen diffizil austarierten Gebilde – wie Monstranzen und Reliquienbehältnisse der Arte Povera.

 Dahlem selbst formuliert: „Ich möchte das, was wir als niedrig und profan ansehen wieder in den Zusammenhang des Wunderbaren stellen und das Nicht-Erklärbare darin sichtbar machen“. So löst sich das Rätselhafte der Objekte nicht auf, sondern öffnet einen weiten Raum, in dem sich Wunderbares, Unerklärliches, Unfassbar Großes zeigen kann – und zugleich vor unseren Augen: ärmliche Materialien und  anachronistisch wirkende Handwerksarbeit.  Da holt uns die Erde zurück, zeigt uns unsere Beschränktheit, die Kluft zwischen Geist und Materie, Ideal und Wirklichkeit…und doch ist man nicht unglücklich gespalten, sondern gerührt von den sensiblen, etwas unbeholfen wirkenden Konstruktionen, die unter ihren inhaltsschweren Titeln eigentlich zusammenbrechen müssten. Sie tun das nicht – sie heben ab mit uns in die ferne Sternenwelt der Physiker und der Poeten.

(Claudia Breinl)

 Abb. 1 Björn Dahlem: Himmelsglobus (Das All), 2010, Der Goldene Baum (Ewigkeit), 2011, Installationsansicht Kunsthalle Rostock
Abb. 2 Björn Dahlem, Himmelsglobus (Das All), 2010
Abb. 3 Ausstellungsansicht „Die Theorie des Himmels I – Die Milchstraße“ im KIT – Kunst im Tunnel, 2010, Courtesy of KIT – Kunst im Tunnel, Düsseldorf
Abb.4  Detail aus „Die Theorie des Himmels I – Die Milchstraße“ im KIT – Kunst im Tunnel, 2010, Courtesy of KIT – Kunst im Tunnel, Düsseldorf
Abb. 5 Björn Dahlem: Sonne, 2012, Holz, Stahl, Lampen, Courtesy Sammlung Philara, Düsseldorf, Foto: Kunstverein Braunschweig
Abb. 6 Björn Dahlem, The Expanding Universe (Big Bang), 2010, Holz, Kupfer, Uhr, Teller, Glas, Hörspiel, Glühbirne, Glas, Kirschen, Lack, 180 x 90 x 35 cm
Abb. 7 Björn Dahlem, „Das Weltall (Der goldene Baum)“, 2008, Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin, Foto: Roman März

 (Björn Dahlem wird u.a. vertreten durch die Galerien Guido W. Baudach, Berlin, Sies + Höke, Düsseldorf, Engholm Engelhorn Galerie, Wien)