RÜCKBLICK: BILDERTAG + ABSCHIED VON THOMAS ERNE
Am 11. und 12. Februar 2022 fand die Abschiedsvorlesung ‚Neues Beginnen?‘ von Prof. Dr. Thomas Erne im Rahmen des zweiten Bildertags in Marburg statt. In diesem Kontext sprachen die Dekanin Prof. Dr. Christl M. Maier sowie Prof. Dr. Maike Schult und Prof. Dr. Marcell Saß vom Fachbereich Evangelische Theologie an der Philipps-Universität über die gemeinsame Arbeit mit dem Institutsdirektor, Universitätsprediger und Universitätsprofessor Erne. Neben Erinnerung an Projekte aus den Bereichen Architektur, Kunst, Praktische Theologie und Ästhetische Theorie kamen auch Projekte des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart aus den letzten 10 Jahren zur Sprache, die Erne iniziiert und geleitet hatte: Kirchbautage, universitäte und ausserakademische Lehre und interdisziplinäre Tagungen und Workshops mit Student*innen, Künstler*innen, Architekt*innen, Bildertage in Kooperation mit dem Rudolf-Bultmann-Institut, Zeitschrift kunst und kirche, Buchreihe KBI zu Kunst und Architektur im Jonas Verlag, Ausstellungen und Performances in der Reihe Liturgy Specific Art, Publikationen zu Kirchenbau, Ästhetik und Projekten und vieles mehr. Zum Abschied von Thomas Erne und anlässlich der Schließung des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart möchten diese Redner*innen folgende Aspekte zur Sprache bringen und Erinnern.
"IM ABSCHIED IST DIE GEBURT DER ERINNERUNG".
LAUDATIO, DEKANIN PROF. DR. CHRISTL M. MAIER
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste aus nah und fern,
lieber Thomas, liebe Gabi,
als Dekanin des Fachbereichs Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg begrüße ich Sie und Euch alle herzlich zur Abschiedsvorlesung von Thomas Erne, Professor für Praktische Theologie mit dem Schwerpunkt religiöse Ästhetik und Kommunikation und Direktor des EKD-Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Seit 2007 gehört Thomas Erne unserem Kollegium an und seit 2018 hat er auch das Amt des Universitätspredigers inne, so dass seine Verabschiedung gerade hier in der Universitätskirche sehr angemessen erscheint.
„Im Abschied ist die Geburt der Erinnerung.“ Unter diese Weisheit des katalanischen Malers, Schriftstellers und Bildhauers Salvador Dalí (1904–1989) will ich ein paar bescheidene Worte des Dankes und der Wertschätzung Deiner Arbeit, lieber Thomas, stellen.
Der Ausspruch dieses eigenwilligen Künstlers ist deshalb passend für diesen Anlass, weil er das Traurige und Bedauerliche – den Abschied – mit der Idee eines neuen Lebens im Bild der Geburt verbindet. Er fasst Rückblick und Ausblick in einen Satz und vereint damit eigentlich Unvereinbares. Der Schlüssel ist die Erinnerung: Erinnern wir uns – im Abschied – also daran, wie kreativ und erfolgreich Thomas Erne an unserem Fachbereich gewirkt hat und wie er mit seinem speziellen Blick auf die Praktische Theologie aus der Perspektive der Kunst viele Menschen interessiert, viele Studierende nach Marburg gezogen hat. Thomas ist, wie ich in diesem Semester noch einmal in unserer gemeinsamen interdisziplinären Lehrveranstaltung feststellen konnte, ein höchst engagierter Lehrer, der die Studierenden zur Stellungnahme, zum Denken herausfordert und sie zugleich mit seiner eigenen Begeisterung für heilige Räume, Kunst und Kirche, für das Predigen und die künstlerische Gestaltung von Gottesdiensten ansteckt, der sie verwickelt in Diskussionen über Philosophie und Theologie für die Gegenwart, das einem Hören und Sehen nicht ver-, sondern aufgeht. Er ist ein Forscher und Autor, der seine Studien zum Kirchenbau, zum Wandel von Kirche und Liturgie wortgewaltig vorträgt und aus der systematisch-theologischen Tradition heraus bemerkenswerte Visionen für die Kirche der Zukunft entwickelt.
Neben seiner Forschungstätigkeit hat Thomas Erne als Direktor des Kirchbauinstituts weit über Marburg hinaus gewirkt – in der Organisation von Kirchbautagen, bei denen neue Konzepte für Kirchenbau und kirchliche Architektur entstanden, aber auch in der wissenschaftlichen Begleitung von Gemeinden mit Um- und Neubaubedarf, an der Vermittlung zwischen Gemeinden, kirchlichen Bauämtern, Kunstbeauftragten und Architekten. Als Mitherausgeber der ökumenischen Zeitschrift kunst & kirche entwickeln er und sein Team vierteljährlich interessante und vielbeachtete Themenhefte zu Architektur und Kunst.
Als sich im Jahr 2009 kurzfristig die Möglichkeit eröffnete, die leerstehende ehemalige Hausmeisterwohnung im ersten Stock der Alten Universität zu renovieren, wurde Thomas Erne selbst zum Bauherrn und schaffte es dank seiner guten Kontakte zu Architekten wie Bayer Uhrig Architekten und Künstler*innen, trotz begrenzter Mittel und mit vielen Spenden, neue Räume mit künstlerischen Elementen zu gestalten. So konnte das Kirchbauinstitut samt seiner Spezialbibliothek zu moderner und zeitgenössischer Kunst und Architektur aus dem Gebäude am Plan 3 in die Alte Universität umziehen.
Dieses Institut hat Thomas Erne zu beachtlichen Höhen geführt; er hat Mitarbeitende und Künstler*innen gewonnen und mit ihnen einen Raum des forschenden und spirituell-künstlerischen Austauschs geschaffen, der nun mit seiner Verabschiedung in den Ruhestand – auch diese Erinnerung gebiert der Abschied – zu unser aller Bedauern geschlossen wird. Mehrfacher und entschiedener Einspruch seitens des Dekanats und der Studierenden sowie Verhandlungen zwischen der Universität und der EKD haben nichts bewirken, die Schließung nicht aufhalten können; die Finanznot der hessischen Kirchen und der EKD ist groß – auch wenn wir in Marburg der Meinung sind und diese auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, hier werde am falschen Ort gespart.
„Im Abschied ist die Geburt der Erinnerung.“
Für die Studierenden aller Fachrichtungen, aber auch die universitäre Öffentlichkeit haben Thomas Erne und sein Team interdisziplinäre Studientage, Exkursionen und Workshops zu Kirche und Kunst, Architektur und Medien organisiert – u.a. mit dem Kollegen Malte Dominik Krüger zusammen bereits den 2. Evangelischen Bildertag. Ich erinnere mich an interessante Ausstellungen in den Räumen des Instituts, an Empfänge und Gespräche mit Künstler*innen und an spektakuläre Liturgy Specific Art-Gottesdienste – von der Cloud im Kirchenraum bis zum Love-me-Kreuz, vom Schrift-Bild bis zur Imagination von Gefäßen voller Tränen. Thomas Erne hat es verstanden, seine verschiedenen Rollen kreativ und engagiert zu verknüpfen. In viele Predigtreihen in den Uni-Gottesdiensten der letzten Jahre hat auch Gabi Erne ihr künstlerisches Talent mit großem Engagement, ideenreich, überraschend und originell eingebracht. In lebendiger Erinnerung ist mir eine Predigt über Robinson Crusoe mit Stoffpapagei und Palmen geblieben und die Predigtreihe „Der Geschmack der Liturgie“ mit Gabi Suppe kochend am Altar. Mitarbeitende und Studierende trugen zu diesen Gottesdiensten vielfältige Musik, Liturgie und Textkunst bei.
Mitten in diesem Raum lebendiger Kirche und lebendiger Lehre war Thomas Erne mit Verve und Freude an der Arbeit – als Theologe und Künstler – ernsthaft und gelegentlich sprunghaft, manchmal auch etwas schräg und exzentrisch, aber stets mit interessanten Ansichten und gelegentlich deutlichen Absichten, ganz im Augenblick präsent und doch gelegentlich abwesend – ein Künstler eben und ein virtuoser Theologe zugleich.
Für all diese Aktivitäten, mit denen Du, lieber Thomas, den Fachbereich bereichert und zum Nachdenken herausgefordert hast, und für all das, was hier aus Zeitgründen ungenannt bleiben muss, danke ich Dir nicht nur im Namen des Fachbereichs, sondern auch persönlich von Herzen. Wir werden Dich, das Kirchbauinstitut und all die kreativen Aktionen sehr vermissen. Wir werden die künstlerischen Anregungen vermissen, die Liturgy Specific Art, die großartige Arbeit von Gabi Erne. Wir hoffen, dass die interessanten Dissertationsprojekte, die Du angestoßen hast, vollendet werden. Und wir erinnern uns mit Dir und dem Team gern an all das Gelungene und Begeisternde während Deines, während Eures Wirkens in Marburg.
Ich wünsche Dir und hoffe, dass Dein erinnernder Blick auf das Geleistete angesichts der Art und Weise, wie die beteiligten Kirchen mit der Zukunft des Instituts umgehen, kein Blick zurück im Zorn sei, sondern dass der Abschied nicht nur die Erinnerung gebiert, sondern die Erinnerung Teil von etwas Neuem wird. Immerhin hast Du selbst Deine Abschiedsvorlesung mit „Neues beginnen!“ überschrieben. Für das Neue im sog. Ruhestand, für die neuen Begegnungen in Tübingen und anderswo wünsche ich Dir und Gabi viel Energie und Lebensfreude und natürlich Gottes reichen Segen.
Der Blick zurück wendet sich in einen Blick nach vorn: „Am liebsten erinnere ich mich an die Zukunft.“ Auch das ein Bonmot Dalís. Ich verstehe das so, dass wir die Erinnerung, die der Abschied gebiert, zur Kraft werden lassen, mit der wir in die Zukunft blicken. Eine Zukunft, die wir zwar noch nicht kennen, aber gestalten dürfen, ja müssen – in schöpferischer Produktivität, in der sorgsam kreativen Rezeption von Tradition und in einem von unseren Charismen geleiteten Neuentwurf – damit die Kirche und die Theologie noch eine Zukunft haben, an der Du und wir weiterhin als Baumeister*innen und Handwerker*innen mitwirken.
Todah rabbah, lieber Thomas, liebe Gabi, und kol tov – alles Gute für die kommende Zeit!
"RAUM DER UNGEWÖHNLICHEN DINGE"
LAUDATIO, PROF. DR. MAIKE SCHULT
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Studierende, lieber Thomas,
ich kannte Marburg, ehe ich es kannte. Und zwar nicht als die konkrete Stadt in Raum und Zeit, sondern als einen Raum, der in meinem Kopf entstand, wenn ich davon hörte. Ein Raum der ungewöhnlichen Dinge, der kreativen Ideen mit einem besonderen Profil und dem kleinen bisschen Mehr an Freiheit, das es braucht, damit Kräfte sich entfalten können und Neues entsteht. Dieses innere Marburg war mit Namen verbunden, und diese Namen standen dafür, dass es möglich ist, es anders zu machen, aus Schubladen herauszukommen, out of the box zu sein und seinen Platz genau zwischen den Stühlen zu finden. Namen verbunden mit Schmerz und Sehnsucht, dem Plädoyer für das offene Kunstwerk und für die Lebendigkeit der Tradition, aber auch für den Wert der Grenze als einem Ort eigenen Rechts, der keinem ganz gehört und eben darum auch von keinem ganz vereinnahmt werden kann. Einer dieser Namen war Thomas Erne.Ich erinnere mich, wie ich als Assistentin in Halle über meiner Doktorarbeit zu Dostoevskij brütete. Ein Grenzgang zwischen Theologie und Literatur, und ich mich abmühte mit diesem eigenartigen Verständnis von Literatur, wie ich es bei den Theologen zu sehen glaubte und das so gar nichts mit dem zu tun hatte, was ich darunter verstand, so dass damals offen war, für welche meiner akademischen Disziplinen ich mich entscheiden sollte, wo mein Platz in der Wissenschaftslandschaft sein könnte und ob mich nicht ganz von der Theologie verabschieden müsste, wenn die Welten nicht konstruktiv zusammenkommen können und es nicht möglich ist, dass Kunst im Raum von Theologie und Kirche ihr Eigenleben behalten kann. Eine Kollegin legte mir damals einen Aufsatz auf den Tisch: „Die theologische Großzügigkeit der Musik“. Hier, lies das, sagte sie, dann hast Du einen, der tickt wie Du. Thomas Erne. Marburg.
Tatsächlich habe ich in diesem Aufsatz vieles gefunden, was ich suchte: dass da einer ist, der was versteht vom religiösen Charme der Kunst, der Kunst will ohne Verzweckung, aber sich auch Kirche nicht ohne Kunst vorstellen kann und eben das anderen so verdolmetscht, dass Kunst und Kirche zu neuer Nähe finden und doch ihre Fremdheit behalten, weil ohne Fremdheit nichts Neues entsteht. In meinem Bewerbungsvortrag hier in Marburg habe ich damals über Verfremdung gesprochen als dem Mittel, das es braucht, um im Vertrauten Neues zu entdecken. Und ich erinnere mich an Deine Rückfrage, Thomas: Wenn Sie zu uns nach Marburg kämen, wie würden Sie denn verfremden, ein bisschen oder radikal? Radikal, sagte ich. Und etwas an der Antwort war wohl richtig, so dass ich heute hier als Deine Fachkollegin zu Dir sprechen kann. Aber es stimmt eigentlich nicht.
Der Radikale von uns beiden bist Du: nicht nur der leise Verseltsamer, sondern der experimentelle Verfremder, der die lauten Töne nicht scheut, der die Dinge auf den Kopf stellt und uns den Unialltag ungewöhnlich macht. Der Ausprobierer und Hervorbringer, der Redegewaltige, auch sehr redefreudige ‒ man muss schon gucken, dass man auch mal zu Wort kommt neben Dir ‒, aber auch der Informierte, der Vernetzte, der einfühlsame Polarisierer, der nachdenkliche Nachhaker, der fordert, fördert und das Bad in der Menge genießt. Du machst einen Kirchraum zur Bühne und die Predigt zum Slam. Schickst mitten im Gottesdienst die Gemeinde hoch auf die Ränge und lässt die Predigerin unten am Pult im Regen stehen, bis alles sich auf Dein Geheiß in einer leisen Bewegung durch den Raum wieder aufeinander zu bewegt und beim Abendmahl im Kreis zusammenkommt. Mit dieser unerschrockenen Art, Deiner Freude am Experiment und der inneren Freiheit, die es dazu braucht, hast Du vielen vieles gegeben. Hast andere begeistert und zur gemeinsamen Arbeit gelockt und hast dabei immer, so habe ich es wahrgenommen, die volle Unterstützung Deines Instituts gehabt, ein Team aus Eigenwilligen, das sich Dir tief verbunden fühlt, hoch loyal, bis heute bereit, sich ganz einzusetzen mit voller Kraft trotz der verlorenen Schlacht.
Du hast Studierende nach Marburg gezogen, wir haben es in der Rede der Dekanin gehört, aber Du hast sie auch von Marburg wieder ausziehen lassen, damit sie sich mutig und eigenständig in Kontexten bewegen, in denen sich Kirche nicht mehr von selbst versteht. Diese Kontexte werden mehr werden. Und es braucht mehr Menschen wie Dich und mehr von Deinem Institut, wenn Kirche sich überhaupt noch sichtbar behaupten will. Aber auch wir, die wir in Zukunft hier ohne solchen institutionellen Rahmen auskommen müssen, profitieren doch von dem, was Du ausgestreut hast an Kraft und Ideen, großzügig, verschwenderisch, gastfreundlich, wie wir es auch heute hier mit Dir und Deiner Frau erleben. Du hast auf diese Weise über die Kunst vielen Wege in die Theologie eröffnet. Aber auch denen eine Heimat gegeben, die sich so schwer zwischen den Disziplinen entscheiden können und für die es wichtig ist, fremd bleiben zu dürfen, um sich zugehörig zu fühlen.
Ich habe von Deiner Wirkungszeit hier in Marburg als dem konkreten Ort in Raum und Zeit nur eine kleine Weile als Kollegin erlebt. Und diese Weile war noch einmal eingeschränkt und beschwert durch die Pandemie. So hat die Zeit nicht für alles gereicht, was potentiell noch möglich gewesen wäre und was wir uns ausgedacht hatten. Den Sinn für das Mögliche aber hast Du gestiftet. Und das Zutrauen, dass immer mehr möglich ist, als man heute sieht, und dass man die Übergänge im Leben nicht allein bewerkstelligen muss. In dieser Stunde der Schwelle und des Übergangs, in dieser schwarzen Stunde des Abschieds heute möchte ich Dir darum kurz vor Deiner Abschiedsvorlesung das sagen, was Du mir unmittelbar vor meiner Antrittsvorlesung gesagt hast: Lieber Thomas, wir stehen alle hinter dir!
Wir hätten Dich so gerne verlängert, wir sind traurig über das, was sich nicht mehr realisieren ließ, über das Versäumte und Abgebrochene, aber auch dankbar für die gemeinsame Zeit. Und ich bin sicher: mit Deiner heutigen Rede ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Wer das Unendliche Alphabet von Axel Malik kennt und uns in diesen Räumen sichtbar gemacht so wie Du, dem fallen immer neue Worte ein, der fügt sich nicht, der schlägt dem Schicksal einen Haken und wird aus jedem Ende einen Anfang machen.
"TRANSZENDENZ AUSGELEUCHTET"
PROF. DR. MARCELL SAß, LAUDATION ZUM ABSCHIED
Lieber Thomas, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitende, Gäste:
Möchtest Du einen Kaffee?
So begann für mich als Thomas Ernes praktisch-theologischer Kollege in den letzten gut 9 Jahren manch wahrlich bemerkenswerte Begegnung – möglicherweise zufällig, fast immer jedoch auf der Grenze: zwischen dem Treppenaus der Alten Universität und dem Eingang zu den ästhetisch anregenden Räumen des Kirchbauinstitutes. Wer wie ich dann in seinem Büro mit einem Becher Kaffee in der Hand auf dem Stuhl landete, hatte es in vielerlei Hinsicht richtig gut.
Small Talk über aktuelle Fragen oder Verständigungen über den von Thomas gar nicht sehr geschätzten Organsiationskram, ließen wir schnell hinter uns, und es wurde tiefgründig. Binnen kurzen ging es um sehr Grundsätzliches, um die Theologie und die Kirche, um Raum, Kunst, Liturgie. Ja, und immer ging es implizit natürlich auch um das Erkennen – um Bewusstsein, Selbstbewusstsein, um Wahrheit und Vernunft, um Geist und Religion, um Wissen. Dass Du mir in manchmal philosophisch dichten Momenten meine rudimentäre Hegel-Kenntnis nicht nachgetragen hast, zeugt von einer freundlichen Milde – danke dafür!
Thomas Ernes intellektuell scharfsinnige Neugierde, die komplexe Art zu denken, seine Belesenheit, machte Gespräche nicht nur bei einem Becher Kaffee im KBI wurde zu einem kostbaren Schatz und zu einer wertvollen Wegmarke auf gemeinsamen Wegen. Jedes Mal ging ich zurück, in den Alltag der Alten Uni, mit dem festen Gefühl, dass ich genau für solchen Austausch an der Universität gegangen bin. Das wird fehlen – mir, deinen Kolleg*innen, den Mitarbeitenden und Studierenden – und hoffentlich auch den Kirchen – samt Deinem Kirchbauinstitut, dass die Kirchen nun schließen.
Auf unvergleichliche, unwiderstehliche Weise hat Thomas Erne Räume der Transzendenz ausgeleuchtet, in Forschung und Lehre, in persönlicher Begegnung wie auch zwischen zahlreichen Buchdeckeln. Weil er sich, wie er selbst schreibt, „zutiefst interessiert für den charmanten Übergang von ästhetischer zu religiöser Transzendenz.“ Und dabei zugleich offen bleibt für Grenzkonflikte, zwischen Religion und Kunst. Es ist eine Form der anregend aktualisierten Idee der Zusammenbestehbarkeit von Kontinuität und Diskontinuität, von Übergängen und Brüchen, die bei Thomas Erne kunstvoll traktiert wird – darin zeigt sich sein einmaliges, systematisch geschultes Denken, das aber zugleich tief an kulturellen Praxen interessiert ist – derlei PT braucht es, heute wohl mehr denn je vielleicht!
Durch viele Jahre hindurch hat Thomas Erne im theoretischen Diskurs an der Schnittstelle theologischer Fachkulturen und im souveränen Austausch mit anderen Disziplinen leidenschaftlich für Qualität gesorgt. In der Lehre vermochte das viele zu begeistern; und ganz nebenbei wurde manchen Räumen hier zu neuer Anmut verholfen. Wer sich je mit Raumfragen an einer Universität beschäftigt hat, ahnt, welche große Leistung es ist schöne Räume zu kreieren – nicht nur physisch. Dass Thomas im Medium charmanter Kommunikation auch entschieden für die eigene Position eintreten kann, daran besteht übrigens auch kein Zweifel – zu bewundern war das beim persönlichen Austausch ebenso wie in großer Runde, etwa im gemeinsamen Oberseminar. All dies soll nun hier in Marburg nicht mehr stattfinden, weil wir Dich und Gabi verabschieden müssen, der Südwesten Euch nun künftig hat – das geht eigentlich nicht und macht traurig. Wir alle, in unserem Fachgebiet wie im Fachbereich werden sehr vermissen, was wir an dir haben. Wir haben von Deiner Gegenwart hier sehr profitiert – wissenschaftlich und menschlich. Heute danke ich Dir ganz persönlich dafür, dass wissenschaftliche Tiefe und persönliche Zugewandtheit bei Dir untrennbar verbunden sind.
Gleichsam symbolischer Ausdruck für Dein bemerkenswertes Wirken hier ist nun aber all das, was jetzt folgt, und vom dem Du nur zum Teil weißt: Das tolle Team des KBI hält für diesen Abend manche Überraschungen parat, die Deinen Festvortrag ergänzen, bereichern, pointieren mögen: Ka Young Lee erfüllt dir musikalische Herzenswünsche und koppelt musikalische Innovation an Dein Nachdenken, wenn sie gleich Olivier Messiaens La Nativité du Seigneur spielt. Bo Wimmer slammt leider heute nicht, er ist erkrankt! Das macht Max Bode, pynk pastor und ehemals studentischer Mitarbeiter und Fotograf am KBI! Genau die Art kreativer Kopf, die das KBI unvergleichlich macht. Dann Thomas Putze: er zeichnete den Institutshund – und heute eine Ausstellung zum Bildertag. Und Lisa Bartling zeichnet und collagiert: Die Künstlerinnenedition der Taschen zum Bildertag zeigt ihre analogitale Collage „Fragen an Weite“.
Alle tun das, weil wir dankbar sind für Dich!
Möge der Weg für Dich, lieber Thomas und für Dich, liebe Gabi, viel Gutes bereithalten, Segen auf ihm liegen; oder um es mit Messiaen zu sagen:
Möget Ihr immer wieder Ton mit Farbe und Farbe mit Ton in Beziehung setzen können. Vielen Dank!“
Presse
Presseberichte und Medienbeiträge zur Schließung des Institus für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart an der Philipps-Universität Marburg finden Sie bei Hessenschau (Wie die Kirche Kunst fördert, 20.02.2022), Oberhessische Presse (Das Kirchenbauinstitut in Marburg schließt, 17.01.2022), evangelisch.de (Kunstreferent bedauert Schließung des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, 13.01.2022, epd)