Fotos: Frank Bilda www.frank-bilda.de
TAUFZENTRUM EISLEBEN
Die kleine Stadt Eisleben spielt in der Lutherdekade eine wichtige Rolle. Luthers Geburts-, Eltern und Sterbehaus sind hier zu finden. In der Vorgängerkirche der heutigen Petri-Pauli-Kirche wurde Martin Luther getauft. Die Lutherdekade mag beschleunigt haben, dass man sich für die renovierungsbedürftige Stadtkirche, die noch mit zwei anderen Innenstadtkirchen konkurrieren muss ein neues Nutzungskonzept überlegte. Es sollte ein übergemeindliches Zentrum mit überkonfessioneller Ausstrahlung werden. So entstand die Idee, mit einem „Taufzentrum“ auf die historische Präsenz Luthers zu verweisen und zugleich eine sich in jedem Taufakt erneuernde Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schaffen.
Das Taufzentrum soll die Bedeutung und den Symbolgehalt der Taufhandlung wieder bewusster machen bzw. überhaupt bekannt machen. Nicht zufällig kam man gerade in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland auf diese Idee. Es wurde an die relative Häufigkeit von Erwachsenentaufen gedacht, als man ein rundes Taufbecken von 2 m Durchmesser und 70 cm Tiefe in den Boden einließ, wo ein Untertauchen oder auch das Übergießen des ganzen Körpers möglich ist, so wie es in den Anfangszeiten des Christentums war. Daneben gibt es nach wie vor den historischen Taufstein mit Taufschale.
Abgesehen davon, wie sich die theologische Konzeption bewähren wird, ist in der Petri-Pauli-Kirche Eisleben eine architektonische und künstlerische Leistung zu würdigen.
Den Wettbewerb unter fünf Architekten gewann das Büro AFF aus Berlin. Kern ihres Konzepts ist das runde ebenerdige Wasserbecken an der sensibelsten Stelle des Raumes, nämlich am Übergang zwischen Chor und Schiff. Wie in einem Eisloch erblickt man ein Stück Wasser, das zu einer sehr viel größeren, nur verdeckten Wasserfläche zu gehören scheint. Der neue Kunststeinboden imitiert in grafischer Abstraktion diese Wasserfläche, ja, das erhöhte Niveau der Bodenplatte lässt den ganzen Fußboden geflutet scheinen. Konzentrische Kreise umspielendie historischen Architekturelemente und die feststehenden Ausstattungsstücke. Es sind Ritzungen in der Betonoberfläche, die aus der Vogelperspektive eine feinsinnige Zeichnung von asketischer Nüchternheit ergeben. Das dominierende Hellgrau-Weiß des Raumes ist von kühler Eleganz, schafft aber auch Distanz und Förmlichkeit. Um dieser Anmutung etwas von ihrer Kälte zu nehmen, wurde das Mobiliar (Altartisch, Pult, Leuchter, Bänke) aus verschiedenen kontrastreichen Obstbaumhölzern gearbeitet.
Nach wie vor fiel das ungebrochene Licht durch elf klarverglaste Fenster und es gab Sichtkontakt zu den nahestehenden Wohnhäusern. Als Täufling fühlte man sich doch recht schutzlos und ernüchtert in dieser Atmosphäre. Durch die Kunst des Glasmalers Günter Grohs aus Wernigerode ist es gelungen, dem Raum mehr Intimität zu verleihen ohne die Klarheit und Vornehmheit der Architektur zu beeinträchtigen oder ihm von seiner lichten Erscheinungsform zu nehmen.
In einer beeindruckenden Virtuosität verbindet Günter Grohs die Einflüsse der historischen Bauformen mit der zeitgenössischen Stilsprache der Architekten und Elementen aus dem gestalterischen Fundus der Glasmalereigeschichte. Es finden sich in seinem Werk für die Petri-Pauli-kirche viele Referenzen an den Raum,- an die kunstvollen Rippen der Kreuzgewölbe und das Maßwerk der Fenster, die Mauerwerkszeichnungen auf den Säulen, die zeitgenössischen Musterungen der Bodenplatte. Formal sind es Verschlingungen und Überschneidungen in wechselnden Rhythmen, thematisch verstanden ist jedes Fenster wie ein Blick auf lebendiges Wasser, mal ruhig dahinströmend, mal bewegt in Strudeln und Verwirbelungen. Nur sparsam erscheint Farbe. Der Grisaille-Charakter der Fenster überwiegt und lässt nach wie vor tageslichtähnliches, aber angenehm gebrochenes Licht herein. Dass die Fenster trotz ihrer Reduktion so reich wirken, liegt an der Kombination verschiedener Glassorten wie senkverformtem Floatglas und Echt-Antikglas mit prägnanten Strukturen. Partiell sind noch Überfang und Malereiauftrag eingesetzt. Günter Grohs hat Künstlerische Glasgestaltung an der Burg Giebichenstein in Halle studiert und ist so in der Lage, alle Ausdrucksmöglichkeiten des Werkstoffes Glas in seinem Sinne zu nutzen. Auf eigenständige Weise knüpft er an die grafische, architekturaffine Tradition der „German School“ der Glasmalerei an, wie sie von Jürgen Schaffrath, Johannes Schreiter und Jochem Poensgen, um nur einige zu nennen, begründet wurde. Neben den Glasgestaltungen im Dom zu Halberstadt, der Stiftskiche Gernrode, dem Dom zu Verden, der Wipertikirche Quedlinburg ist dies eine weitere sehenswerte Kombination von zeitgenössischer Glasmalerei und Kirchenarchitektur, die Günter Grohs geschaffen hat.
Text: Claudia Breinl, Fotos: Frank Bilda www.frank-bilda.de
Glasmalerei Peters Paderborn, www.glasmalerei.de
AFF Architekten Berlin, www.aff-architekten.com