Architekturflash November 2017 – BISHOP EDWARD KING CHAPEL

BISHOP EDWARD KING CHAPEL

In der Nähe der Universitätsstadt Oxford wurde auf dem Gelände des größten Priesterseminars der „Church of England“, dem Ripon Theological College, eine neue Kapelle gebaut. Sie liegt auf dem „Holy Hill“ des Dorfes Cuddesdon. Von hier hat man einen Blick auf die typische, mit kleinen Baumgruppen bestandene Landschaft der Grafschaft Oxfordshire und findet sich zugleich umgeben von den Collegebauten des viktorianischen Architekten George Edmund Street (1824–1881) und mächtigen alten Buchen.

Wertvolle Ausgangsbedingungen für einen Neubau, der sich in dieses atmosphärisch gelungene Nest setzen durfte, dafür aber denkmalschützerische Vorgaben in Hinblick auf  die historischen Collegegebäude berücksichtigen mußte und  Naturschutzrichtlinien zu beachten hatte wegen des alten Baumbestands.

 

Als Grundform wählten Neil Niall McLaughlin Architects aus London eine ovale Form, die sich quasi geschwisterlich den rundlichen Hügeln der Landschaft anschmiegt und zu den umstehenden Baumstämmen der Buchen in Beziehung tritt.  Ein plastisch gemauerter Kalkstein mit einer reliefartigen ornamentalen Struktur belebt die Außenfassade, denn über dem mit  Quadersteinen verblendeten Sockel ändert die Außenwand plötzlich ihr Gesicht, wird aufgerauht und lebendig. Die ornamentale Reliefwirkung des „dogtheeth“- Muster nimmt eine in der Backsteinarchitektur verwendete Oberflächengestaltung auf und  übersetzt sie in Kalkstein.  Materiaität und Dimensionierung des Quadersteins nehmen Bezug auf die alte Bausubstanz auf dem Areal.  Drei spielerisch anmutende Raumausstülpungen bilden als Variationen eines Erkermotivs  kleine zusätzliche Räume neben dem zentralen Gottesdienstbereich aus. Ein zurückhaltender Flachbau als Nebengebäude dient als Sakristei und anderes Nützliches und ist verbunden mit dem Kirchenbau durch eine  Lobby und den sehr zierlichen Glockenträger, der wahrscheinlich eher bimmelt als läutet, aber immerhin auf die Gottesdienstzeiten hinweisen wird.

 

Das Innere der Kapelle ist wie eine Lichtung im Wald erdacht. Folgerichtig fällt das Licht von oben ein durch einen Lichtkranz, – ein durch senkrecht stehendeHolzlamellen unterteiltes rundumlaufendes Fensterband. Die leicht abgesenkte Mitte des Raumes wird überwölbt von schlanken Holzpfeilern, die sich wie Bäume oben verzweigen. Zugleich ist dieses komplexe Strebewerk reduziert auf das technisch Nötige und wirkt nicht symbolisch geschwätzig.  Die Brettschichtholzkonstruktion aus Fichte ahmt sowohl Natur nach und zeigt auf althergebrachtes Handwerk und erinnert auch ein wenig an die Konstruktion einer Ikone der naturnahen Architektur, der Wayfareres Chapel von Palos Verdes, USA (1951). Auch wird man an einen Schiffskorpus denken, wenn man die filigranen Rippenkonstruktionen ansieht. Diese Streben formen einen inneren Ring, der auch durch die runden Sitzbänke seinen sammelnden und gemeinschafts-bildenden Charakter betont. Ein schmaler Umgang erlaubt ein dezentes Umschreiten des Zentrums. Von hier sind auch die  von außen bemerkten Auswölbungen zu betreten. Sie dienen als Andachtsbereich und als Gebetsraum einer Schwesternschaft, die ebenfalls Nutzerin der Kapelle ist, – die Sisters of  Begbroke haben den Kapellenbau mit 2,6 Millionen Pfund finanziert.

Es gibt zwei Personenkreise, die die Kapelle nutzen und die unterschiedliche Raumbedürfnisse haben. Daher muss der Raum für unterschiedliche Gottesdienstformen taugen: für die vom anglikanischen Priesterseminar gepflegte evangelikale Ausrichtung „Low Church“ spielt der Ambo eine große Rolle. Für den Schwesternorden der Sisters of Begbroke der katholisch geprägten „High Church“ ist der Altar wichtigster Bezugspunkt.

Die beiden Prinzipalstücke wurden entlang der Längsachse der Ellipse einander gegenüber angeordnet. Das Pult auf Höhe des Haupteingangs, der Altar auf Höhe der kleinen Gebetskapelle der Schwestern. In Deutschland ist diese liturgische Raumordnung im katholischen „Communio“-Raum zu finden: Die Gläubigen sitzen nicht in Bankreihen hintereinander und schauen in Richtung Altar, sondern versammeln sich in Form einer Ellipse, deren Brennpunkte Altar und Ambo bilden, um eine leere Mitte und können sich anblicken. Vorbilder für diese Anordnung sind in Klosterkirchen und Bildungshäusern zu suchen, aber auch in antiken Kirchenräumen.

Die Stimmigkeit im Inneren der Kapelle erklärt sich durch die ideale formale Unterstützung der inhaltlichen Nutzung durch die architektonische Gestalt. Äußerlich wirkt die Kapelle innerhalb des historistischen Campusbebauung als Solitär, ein selbstbewusstes Statement mit Zugeständnissen an die Umgebung.

Text: Claudia Breinl/ Fotos: NAARO

Niall McLaughlin Architects, London www.niallmclaughlin.com

Literatur: Albert Gerhards (Hrsg.), In der Mitte der Versammlung. Liturgische Feierräume, Trier 1999, und ders. u.a., Communio-Räume, Regensburg 2003