Architekturflash Januar 2017 – TRAUERHALLE BESSENBACH

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alle Fotos: Norbert Miguletz

Nachdem die Toten nicht mehr zuhause zurechtgemacht und aufgebahrt werden und dann schließlich im Sarg vom Trauerhaus zum Friedhof geleitet werden (Leichenzug), hat sich die Notwendigkeit eines Gebäudetypus auf Friedhöfen ergeben, für den es viele Begriffe gibt, die alle etwas von dem widerspiegeln, was sich in diesen Gebäuden abspielt. Je nach Nutzungsschwerpunkt und regionalem Brauch gibt es die Bezeichnung Friedhofshalle, Leichenhalle,  Aufbahrungshalle, Abschiedshalle, Aussegnungshalle, Feierhalle oder Trauerhalle.

Im Unterschied zu Friedhofskapellen, die auch für normale Gottesdienste genutzt werden, sind dies keine sakralen Räume. Es können nämlich dort Feiern nach unterschiedlichem Ritus und auch rein weltlicher Natur abgehalten werden. Oft ist trotzdem ein Kreuz im Raum, aber in Anbetracht der veränderten religiösen Landschaft sollte es am besten mobil sein.

Bei öffentlicher Sepulkralarchitektur ist die Gestaltung nicht auf die funktionalen Erfordernisse beschränkt, sondern man ist bemüht,  dem sensiblen Zustand von Trauernden angemessen zu bauen. Träger der Friedhofshallen sind die Kommunen, denen auch der Friedhof gehört, denn seit der napoleonischen Gesetzgebung im 19. Jahrhundert ist das Friedhofswesen in den Verantwortungsbereich der politischen Gemeinden übergegangen. Man kann also sagen, dass es sich bei Friedhofsgebäuden um profane Bauten handelt.

Oft sind es heute kleine Bauformen, die der Aufbahrung, Aussegnung und Abschiedsfeier dienen. Monumentale Architektur für den Tod war zuletzt in der Gründerzeit gefragt. Das funktionale Raumprogramm umfasst die Bereiche für die Aufbahrung, den Umkleideraum, einen Geräteraum, eine WC – Anlage und den repräsentativen Feierraum. Dessen Ausrichtung kann zentral  sein, sodass die Trauernden sich rund um den Sarg stellen können, meist sind die Räume längs orientiert als Weg, auf dem man den Verstorbenen geleitet. Ein überdachter Vorplatz als wettergeschützte Raumerweiterung  erweist sich als sinnvoll, um niemanden von der Trauerfeier ausschließen zu müssen, wenn die Feierhalle vollist. Im hier vorgestellten Beispiel in Bessenbach findet sich ein Teil der Trauergemeinde  immer vor der Halle ein, denn der bestuhlte Bereich wird zunächst den nahen Angehörigen vorbehalten.

Bessenbach hat das Privileg, in die idyllische Landschaft des Spessart eingebettet zu sein. Der Friedhof liegt außerhalb am Hang mit einem schönen Blick auf das zwischen die Hügel hingelagerte Dorf. Mit diesem natürlichen Privileg und mit den regionalen Baugepflogenheiten haben die Architekten Goldhammer und Kratzenstein  geplant, als sie die Trauerhalle für Bessenbach konzipierten. Das Gebäude zitiert einerseits das Satteldach, wie es ortstypisch bei Wohnhäusern und Scheunen vorkommt, ist aber andererseits so umgeformt, dass es mit seinen spitzen Winkeln einen schnittigen Eindruck  macht und nicht in die Nähe von Biederkeit  gerät. Die Zinkverkleidung tut das Ihre, um weder Sentimentalität noch Traditionalismus zuzulassen. Es ist in diesem Gebäude der Charakter der Nüchternheit und Helligkeit bestimmend, – eine Variante, wie man dem Tod begegnen kann. Alternativ wäre eine bergende Raumgestalt mit schonender Belichtung oder eine symbolische Überhöhung des Lebensendes.

Fotos: ©Norbert Miguletz

Die expressiven Faltungen und Knicke in der Bessenbacher Architektur sind durch die Materialitäten des Baus ins Rationale gewendet. Im Inneren sind die Boden- und Wandflächen mit hellem Muschelkalk belegt, das Äußere ist mit einer distanzierenden Haut aus Zinkblech überzogen. Der Feierraum steigert sich zur wandhohen Fensteröffnung hin, indem er schmaler wird. Die Wirkung des Innenraums ist vom Licht und von den Faltungen der Decke bestimmt. Auch die Transparenz des Gebäudes, die eine Blickachse schafft von der verglasten Eingangsseite bis zum wandhohen unsymmetrischen Fenster mit Blick in die Landschaft und auf viel Himmel, passt zum Konzept. Hier, vor diesem Bildausschnitt der Natur platzieren die Architekten den Sarg.

Das kleine Gebäude mit Sitzplätzen für ca. 40 Personen verlangt von den Trauernden, sich einander zu stellen. Verbergen lässt sich hier nichts. Trost und Ablenkung kann man suchen beim Blick ins Freie. Die Architekten hatten sicherlich die kreuzförmige Fensterunterteilung als fakultativ wahrnehmbares Symbol für christliche Trauernde als ausreichend empfunden. Es bleibt die Frage, warum in diese asketische Stimmigkeit ein dekoratives Kreuz installiert werden musste.

(Text: Claudia Breinl / Fotos: ©Norbert Miguletz  www.miguletz.de)

Architekten: Goldhammer und Kratzenstein, www.goldhammer-kratzenstein.de

Die Trauerhalle in Bessenbach wurde für den DAM Preis  Architektur in Deutschland 2017 nominiert. Sie ist Teil der Ausstellung  „DAM PREIS FÜR ARCHITEKTUR IN DEUTSCHLAND 2017 – Die 24 besten Bauten in\aus Deutschland“ im Dt. Architekturmuseum Frankfurt, 28. Januar – 30. April 2017.