Architekturflash – FRIEDENSKIRCHE BOCHUM-STAHLHAUSEN

Geschätzte Lesedauer 2 Minuten

 


Die erweiterte Nutzung einer Kirche als Stadtteilzentrum

Die nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaute Friedenskirche in Bochum-Stahlhausen aus Sichtbeton und Ziegelklinkern, mit Betonglasfenstern und einem freistehendem Turm, ist innen wie aussen eine  Kirche im Stil  der 1960 er Jahre. In den 90er Jahren mußte das Gemeindehaus aus finanziellen und strukturellen Gründen aufgegeben werden. Seine Funktion wurde in den Kirchenbau verlagert. Das damals noch ganz junge Architektenteam soan erhielt den Auftrag,  eine neue Raum- und Nutzungsverteilung in der Kirche vorzuschlagen. Sie verlegten den Gemeindesaal  unter die Empore. Die Abtrennung zum Gottesdienstraum wurde aus Glaselementen und Paravents aus Edelstahlgewebe reversibel und mobil gestaltet. Es gelang so eine funktionale Erweiterung des Kircheninneren, die mit  den prägendenStilelementen der 60er Jahre anerkennend umgeht, sie aber auffrischt durch Zutaten guter zeitgenössischer Gestaltung.

Seit 2010 gibt es Überlegungen zu einer erneuten Nutzungserweiterung der Friedenskirche im Rahmen eines großen städtebaulichen Umbauprojekts in Bochum. Das Wohnumfeld und die Wohnqualität im problematischen Bochumer Westend sollten nachhaltig verbessert werden. So kam es zwischen der Stadt Bochum und der evangelischen Kirchengemeinde zu der Idee,  im Bereich der Friedenskirche einen interkulturellen Treffpunkt zu schaffen. Maßnahmen zur Integration von Zuwanderern sollten durch die Zusammenarbeit mit der  IFAK e.V. – Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe– Migrationsarbeit einfließen. Unter dem Dach des Stadtteilzentrums – das den Namen „Q1 – Eins im Quartier. Haus für Kultur, Religion und Soziales im Westend“ trägt – sollten Projekte für junge und ältere Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache im Stadtteil verortet werden.

Zusammen mit den soan-Architekten Guido Hülsmann und Dirk Boländer entwickelten die IFAK und die evangelische Kirchengemeinde in einer etwa zweijährigen Vorbereitungszeit das Konzept zur Umgestaltung der Kirche für diesen neuen Zweck.

Auf der straßenzugewandten Seite wurde ein eingeschossiger Anbau winkelförmig um die Kirche gelegt mit Büros, kleinen Gruppen- bzw. Besprechungsräumen, Nebenräumen und einem Begegnungsbereich mit Café im Eingang. Dieser eingeschossige Anbau wirkt zum Straßenraum durch eine großflächige Glasfront und einen Zugang auf Straßenniveau einladend und vermittelt einen Eindruck von den vielfältigen Aktivitäten im Gebäude. Hinter dem eingeschossigen Neubau sieht man immer noch die vertraute äußere Erscheinung der Friedenskirche, die als identitätsstiftend für das Viertel gilt. Das Gebäude erschließt sich vom hellen Eingang  über Flure in zwei Richtungen. Größe und Anordnung der Räumlichkeiten sind möglichst variantenreich und bieten Platz für 2 bis 200 Personen, denn vielseitige Bedürfnisse kommen auf das  Stadtteilzentrum zu. Der aus der früheren Nutzungserweiterung stammende Gruppenraum unter der Empore blieb bestehen, der ehemalige Kirchenraum ist nun Bürgersaal. Da die Kirche als neues Stadtteilzentrum nicht entwidmet wurde, wird es weiterhin einen Gottesdienstraum geben. Mit dezenter christlicher Symbolik ist er als „Raum der Stille“ angelegt für liturgische Feiern und für den Austausch über spirituelle Fragen von verschiedenen, möglicherweise auch nichtchristlichen Gruppen. Derzeit werden Gottesdienst- und Andachtsformen geplant,  die neue Impulse setzen können. Der Sakralraum bildet den Kern der ganzen Anlage.

Der gestaltete Außenbereich mit Sitzmöglichkeiten führt zum Hofbereich der Kirche, der als Freifläche für Veranstaltungen dienen kann. Im ehemaligen Küsterhaus der Friedenskirche am anderen Ende des Hofes  haben die Jugendlichen ihren Treff in wohltuendem Abstand und mit flexibleren Öffnungszeiten.

Das Erscheinungsbild des Stadtteilzentrums erinnert an die industriell geprägte Geschichte des Stadtteils Stahlhausen. Dunkle Klinker an der Fassade, geschliffene Estrichböden, Decken aus Sichtbeton. Eine gewisse Kargheit, die durch gute Kombinationen und Verarbeitung aber nichts Ärmliches oder Billiges hat, sondern von selbstbewusster, solider Bescheidenheit ist und zum unsentimentalen Charakter der Industrie- und Arbeiterregion paßt.

www.soan-architekten.de

Fotos: Roman Weis

Redaktion: Claudia Breinl